- "El Boton de Nacar"

Im Wettbewerb der Berlinale hatte am Sonntagabend erstmals ein Dokumentarfilm Premiere: "El Boton de Nacar" -  "Der Perlmuttknopf" - des chilenischen Regisseurs Patricio Guzmán. Harald Asel hat ihn sich angesehen und kommt zu einer gemischten Entscheidung.

Ich beneide die Jury wirklich nicht. Kann man einen Kostümfilm aus Frankreich, Aktuelles zwischen den Geschlechtern und Dokumentarfilme vergleichen wie jener chilenische über das Wasser?

Wobei es eher ein Essay ist, eine sich allmählich ausweitende Reflexion über das Weltall und dort gefundene Wasseranteile, über Chile, das sich als Land vom Meer abwendet und somit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt, und im Zentrum die Auseinandersetzung mit dem Genozid an den Indigenen Völkern im 19. Jahrhundert und dem Staatsterrorismus während der Militärdiktatur.

Es braucht eine ganze Weile, bis sich die Zusammenhänge erschließen. Da steht zu Beginn ein in einem Quarzkristall eingeschlossener Wassertropfen für jene Verkapselung, die sich erst später als Trauma des Landes herauskristallisiert. Da gibt es den Perlmuttknopf, mit dem einst ein junger Patagonier überredet wurde, nach England zu gehen, um zivilisiert zu werden. Der wird zum Symbol der Zerstörung von Identität. Und später wird ein ähnlicher Knopf als letzter menschlicher Überrest an einer Eisenbahnschiene gefunden, einer Eisenbahnschiene, mit der Ermordete aus den chilenischen KZs beschwert wurden, damit sie, vom Helikopter aus abgeworfen, auch wirklich im Meer untergehen. Wir arbeitet Regisseur Patricio Guzman?

"Ein Dokumentarfilm setzt sich aus Atomen zusammen, aus vielen kleinen dramatischen Einzelteilen. Wenn hier im Raum jemand mit einer Kamera filmt, hat er etwas Interessantes festgehalten, ohne jetzt schon zu wissen, was es bedeutet. Das nenne ich dramatisches Atom. Es ist das gleiche wie mit den Buchstaben, mit denen man Wörter und Sätze bildet. So entsteht ein Dokumentarfilm."


Stärken des Films sind die Begegnungen mit Menschen, die von ihrer Hochseefahrten in schmalen Kanus berichten und als letzte noch die ihre indigene Sprache sprechen, eine Sprache, die kein Wort für Gott kennt. In den katholischen Missionsstationen, die mit der Zentralregierung, den Siedlern und den Militärs kamen, wurde ihr Stolz in verseuchten Kleidungsstücken gebrochen.

 

Doch verwischt Patricio Guzman die eindringlichen Schilderungen mit seinem poetisch gemeinten Kommentar, den er besser dem interviewten Dichter Raul Zurita überlassen hätte. Der spricht davon, wie Chile ein Land von Opfern und Tätern ist. In Guzmans Kommentar, der kaum einmal sich den ordnenden Wogen der Bilder überlässt, ist vom Klang des Wassers die Rede. Aber die Momente, an denen wir dem Wasser zuhören dürfen, sind rar gesät. Da fahren wir an berühmten Gletschern entlang, hören das Knacken im Eis, aber es ist nur Hintergrundmusik. Hintergrundrauschen auch für seine  kosmologische Spekulation: „Ich stelle mir vor…“ sagt Guzman, und in einem schmalen Kanu fahren Menschen auf einem Wasser mit einer Sonne und zwei Monden am Himmel. Zwiespältig also: El Botón de Nácar. Der Perlmuttknopf.

 

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