Fr, 06.02.2015 - "Queen of the Desert" und "Taxi"

"Queen of the Desert" zeigt Nicole Kidman als britische Forschungsreisende und Geheimdienstfrau Gertrude Bell, die in den 1920er Jahren an der politischen Neuordnung im Nahen Osten beteiligt ist. In "Taxi" spielt der regimekritische iranische Regisseur Jafar Panahi einen Taxifahrer, der seine Landsleute durch Teheran fährt.

Zur Eröffnung entführte diese Berlinale mit Isabel Coixets Epos "Nobody wants the Night" die Zuschauer an den eisigen Nordpol. Jetzt am ersten Wettbewerbstag ging’s in die Weiten der Wüste – mit Werner Herzogs "Queen of the Desert".

Und zunächst wird einem durchaus warm ums Herz - geht es doch um das Leben, aber vor allem um die Liebe der britischen Forscherin, Schriftstellerin und Spionin Gertrude Bell, jener historischen Figur, die als weibliches Pendant zu ihrem Landsmann Laurence von Arabien Anfang des 20. Jahrhunderts in dieser Region unterwegs war, die zwischen Osmanischem Reich, britischem Empire und lokal entstandenen Größen neu aufgeteilt wurde.

Doch die Geschichte bildet eher den Rahmen für die "1001-Nacht"-ähnlichen Geschichten, die uns Werner Herzog erzählt - ja seine Queen wirkt eher märchenhaft denn real, die Story ist weniger an die historischen Wahrheit angelehnt, denn ein großes Abenteuer – und sie bezaubert einen mit ihren großartig gefühligen Bildern von friedlichen Oasen, vom Wind verwehten Ebenen, reichen Palästen, darin geheimnisvolle Scheichs und echten Schurken, Hasardeure Haudegen, Gentlemen und Generäle - arabisch und very british - doch dieser Zauber ist bald verflogen.

Da hilft auch ein professionelles Schauspieler-Ensemble nicht mit einer selbstbewusst sexy als Wüstenkönigin agierenden Nicole Kidman. Man vermisst einfach die existentielle, berserkerhafte Kraft früherer Herzog-Filme. In sicherer Entfernung von den Originalschauplätzen Damaskus, Homs, Teheran u.a. in Marokko gedreht, verhallt der Film schließlich als altmodisch süßlicher Abgesang auf ein extraordinäres Werk, auch weil er uns zu wenig erzählt über die Liebe, das Leben, das Land, viel zu wenig auch von dieser Königin der Wüste - und ihrer Geschichte, die die Geschichte beeinflusste,  als Gertrude Bell mit dabei war, bei der Neuordnung der arabischen Welt, die bis heute so gewaltig und gewalttätig nachwirkt.

Der erste Film des Wettbewerbstages spielt in Teheran, dort wo Gertrude Bells Abenteuer beginnt. Hier begegnet man Jafar Panahi - als Taxifahrer.

Mit einem Ausreise- und Arbeitsverbot belegt, sucht und findet der iranische Regisseur immer wieder Wege Filme zu machen. Vor zwei Jahren drehte er zurückgezogen in einem Haus am Meer hinter zugezogenen Vorhängen seinen Berlinale-Wettbewerbsbeitrag "Closed Curtain" - diesmal setzt er sich ans Steuer eines Taxis.

Eine Kamera am Armaturenbrett installiert fährt Panahi durch die Straßen Teherans und lädt die unterschiedlichsten Menschen ein, ein Stück weit mitzufahren. Es sind mit befreundeten Schauspielern, mit Verwandten oder Bekannten inszenierte zufällige Begegnungen - mit dem "Freiberufler", der Lehrerin, die im Taxi über die Scharia und die Todesstrafe diskutieren, mit dem Filmdealer, der vom Blockbuster bis zum Art House Movie alles unter der Hand an den Kinofan bringt, mit zwei Frauen, die Goldfische an einer Quelle aussetzen wollen, der Anwältin, die unterwegs zu einer Politischen Gefangenen im Hungerstreik, das alles erzählt Panahi mit einer gewissen Leichtigkeit, die gefühlvoll in die Untiefen des Lebens in einer Diktatur hinunterblickt.

Doch irgendwie trägt dieses etwas andere Road-Movie nicht über die Länge des Films. Dafür lässt Panahi den Gesprächen mit seiner altklugen Nichte, die er von der Schule abholt viel zu viel Raum, und die Begegnungen mit den anderen, viel spannenderen Fahrgästen - sie bleiben zu flüchtig. Vielleicht und hoffentlich kann das Jafar Panahi eines Tages wieder besser gelingen, wenn er endlich wieder offiziell und offen arbeiten kann. Als Filmemacher.

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