Mi, 11.02.2015 - "Aferim" und "Eisenstein in Guanajuato"

Harald Asel hat sich am Mittwoch die beiden Berlinale-Wettbewerbsfilme "Aferim" aus Rumänien und "Eisenstein in Guanajuato" aus England angesehen.

Wieder zwei Filme im Wettbewerb die extrem unterschiedlich sind. Es ist eine fast altertümliche Ruhe, mit der Radu Jude in klarem schwarz-weiß uns in die Ausweglosigkeit der Walachei des Jahres 1835 entführt. Wenige Kameraschwenks, lange Einstellungen, es wird fast pausenlos geritten auf der Suche nach einem entlaufenen Roma-Sklaven. 

"Aferim" ist ein Road Movie, bei dem sich aber nicht selten der Weg im Schilf oder auf kargen Bergabhängen verliert. Verloren geht auch das, was der Film uns über die historische Studie hinaus sagen könnte, über unterschiedliche Haltungen in einer Welt voller Vorurteile, ohne Gnade in tiefster Provinz.

Ein Ordnungshüter und sein Sohn ziehen durch dieses verarmte Land, fest im Griff der Großgrundbesitzer, einem Land voller Angst und voller Hass. Menschen werden als „Krähen“ bezeichnet und verkauft, weil sie als Roma rechtlos sind.  Der Vater verteidigt trotz sentimentaler Regungen wie all die anderen das, was ist, als ewig.  Aferim: Das Wort wird oft gebraucht in dieser rumänisch-bulgarisch-tschechischen Koproduktion,  es bedeutet „bravo“. Doch kommt der Film über das Beschreiben nicht hinaus. Und nicht nur die Gegend, auch die Machart wirkt, wie aus der Zeit gefallen.

Wie anders dagegen Peter Greenaways Momentaufnahme aus dem Leben des sowjetischen Filmemachers Sergej Eisenstein. Über die Brillianz filmischer Mittel muss man bei beiden wenig Worte machen.

"Eisenstein in Guanajuato" führt uns 1931 nach Mexiko, zu Dreharbeiten, aus denen nie ein Film wird, die aber den Starregisseur verändern. Wo er bislang die Wirklichkeit filmisch überhöhte, mit "Panzerkreuzer Potemkin" etwa, wird nun die Wirklichkeit in ihn eindringen. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn nach mancherlei Theoretisieren über die Rolle des Todes in der mexikanischen Kultur, Namedropping von Prominenten und dem ständigen raumgreifenen Geniegehabe, erlebt Eisenstein seine sexuelle Initiation mit dem einheimischen Betreuer.

Während sonst auf manchmal dreigeteilter Leinwand die visuellen Eindrücke nur so um sich spritzen, Filmausschnitte und Prokoffiefs Musik, Häuserwände und Portraitfotos sich gegenseitig auswischen, schildert Greenaway den Akt mit ruhiger Kamera in aller Ausführlichkeit. Verstörend, wie er dem Genie des revolutionären Massenfilms über das Allerprivateste nahe kommt. Die Weltgeschichte bleibt eher draußen. Wie Eisenstein arbeitete, zeigt der Film nicht. Aber Peter Greenaway sprach auf der Berlinale schon von einem weiteren Projekt über den größten Filmregisseur aller Zeiten.