- Ferdinand von Lochow: Rückkehr nach Petkus

Fremd und doch irgendwie zu Hause angekommen. So dürften sich viele der Adeligen fühlen, die nach der Wiedervereinigung vor 25 Jahren zurückgekehrt sind an die Geburtsorte ihrer Vorfahren. Einer von ihnen ist Ferdinand von Lochow, Hotelier und Öko-Landwirt im brandenburgischen Petkus, 50 Kilometer südlich von Berlin. Was ist für ihn Heimat? Inforadio-Wirtschafts-Redakteur Karsten Zummack hat mit Ferdinand von Lochow gesprochen.

Schon im Mittelalter wurde die Mark Brandenburg als "Streusandbüchse des Heiligen Römischen Reiches" bezeichnet. Karge Böden und geringe Niederschläge schränkten seit jeher die Erträge extrem ein. Hungersnöte, nicht nur nach Kriegen, waren bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts keine Seltenheit.

Zudem mussten die Bauern die Stadt Berlin mit ausreichend Nahrung versorgen. Sie selbst ernährten sich hauptsächlich von Roggenbrot, 1756 kam durch den Befehl Friedrichs des Großen allmählich die Kartoffel hinzu. Seit Jahrhunderten also kämpfen die in Brandenburg ansässigen Landwirte mit den widrigen Bedingungen - einer von ihnen war Ferdinand III. von Lochow. Doch er machte aus der Not eine Tugend, revolutionierte mit der richtigen Idee die Getreidezüchtung: Ferdinand entwickelte einen besonders widerstandsfähigen Winterroggen und versorgte mit diesem im 19. Jahrhundert beinahe ganz Deutschland. Sein Motto: "Du kannst, wenn Du willst!".

Disziplin, Fleiß und Beharrlichkeit - auf diesen preußischen Tugenden beruht Ferdinand von Lochows Durchbruch. Der Pflanzenzüchter ignorierte Spötter, glaubte an seine Ideen und hatte damit großen Erfolg. Ganz im Sinne Friedrichs II., der sagte: "Wer bewirkt, dass dort, wo ein Halm wuchs, deren zwei wachsen, der leistet mehr für sein Volk als ein Feldherr, der eine ganze Provinz gewinnt."

Durchhaltevermögen mussten auch sein Nachfahre Ferdinand V., dessen Frau Angelika und Sohn Ferdinand VI. beweisen. Als sie Anfang der 1990er Jahre - aus Pflichtgefühl und Heimatverbundenheit - nach Petkus zurückkehrten, dauerte es Jahre, bis sie den heruntergekommenen Betrieb wieder aufgebaut hatten.

Heute versucht Ferdinand Junior als ökologischer Landwirt den kargen brandenburgischen Böden bestmögliche Erträge abzuringen. Außerdem bewies er mit seinem zweiten Standbein ähnlichen Einfallsreichtum wie sein berühmter Urahn: Gemeinsam mit Frau Alexandra betreibt er das erste Skate-Hotel der Welt.

Was ist für ihn Heimat?

Geboren wurde Ferdinand von Lochow VII. in Hessen, aufgewachsen ist er in Barcelona und in Lüneburg, das Studium absolvierte er in Göttingen und Berlin, jetzt ist er Unternehmer in Petkus – ein bewegtes Leben mit jetzt gerade mal 46 Jahren. Bei all diesen Orstwechseln - wo ist für Ferdinand von Lochow seine Heimat? "Petkus ist meine Heimat. Das liegt sicher an meiner Familiengeschichte, aber auch ich selbst lebe hier seit 25 Jahren, eine ganz schön lange Zeit", sagt der Nachfahre des Roggenpioniers.

Ferdinand Senior von Lochow / Ferdinand VI 1882 in Petkus; Quelle: Familie von Lockow, privatFerdinand von Lochow zu DDR-Zeiten in der Straße, die nach seinem Urgroßvater benannt wurde.

 Während der DDR-Zeit befand sich auf dem Anwesen die "VEG Pflanzen- und Tierproduktion", die nach der Wende von der Treuhand übernommen und abgewickelt wurde. "Damals nahm der VEG-Direktor mit uns als Alteigentümern Kontakt auf und fragte, ob wir das übernehmen würden. So ist das 1991 neu gestartet", berichtet von Lochow. Im Vordergrund, das räumt er ein, stand für ihn damals die "unternehmerisch spannende Aufgabe und auch die ganze Aufbruchstimmung nach der Wende. Aber hier fühlte man sich auch gleich heimatlich, viele meiner Vorfahren sind hier begraben, hier herrschte eine Atmosphäre des Zurückkommens."

Zu DDR-Zeiten war er als Jugendlicher zwei Mal in Petkus, "alles etwas heimlich und mit der Hilfe von Freunden aus Mecklenburg-Vorpommern, denn wir durften eigentlich nciht hier her. Das war damals schon alles sehr exotisch, die ganzen fremden Autos, viele kaputte Häuser, der Braunkohlegeruch in der Luft", erinnert er sich. Nach der Wende wurden von Lochow und seine Angehörigen eher skeptisch von den Dorfbewohnern aufgenommen. "Wir bekamen auch Drohungen. Im Dorf erzählte man sich, wir wollten allen die Häuser wegnehmen. Ich ging dann von Haus zu Haus und unterhielt mich mit den Menschen, das gegenseitige Verhältnis wurde sehr schnell gut. Ich glaube, ich habe in meinem Leben nicht mehr so viel Kaffee getrunken wie damals." Inzwischen ist Ferdinand von Lochow VII. der größte Arbeitgeber im Umkreis von Petkus.

Das Anwesen in Petkus