Interview - Ethikratsmitglied Lob-Hüdepohl für gesetzliche Vorgaben bei Triage

Menschen mit Behinderungen und Vorerkrankungen befürchten, bei einer Überlastung der Intensivstationen aufgrund ihrer statistisch schlechteren Überlebenschancen aufgegeben zu werden. Das Bundesverfassungsgericht hat ihre Rechte nun gestärkt. Und auch Andreas Lob-Hüdepohl, Mitglied im Ethikrat, fordert gesetzliche Vorgaben für eine Priorisierung.

Hinweis der Redaktion: Das Interview wurde vor der Verkündung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geführt.

Andreas Lob-Hüdepohl, Mitglied im Ethikrat spricht sich für eine gesetzliche Vorgabe für die Bevorzugung von Menschen bei der Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen aus: "Jetzt geht es wirklich um Leben und Tod."

Die bisherigen Leitlinien der Ärzteschaft könnten demnach ein Ungleichgewicht hervorrufen zwischen Menschen, die physisch fit sind, und Menschen, die aufgrund von Alter, Vorerkrankung oder Behinderung schlechter gestellt werden, wenn es um die Chance auf eine intensivmedizinische Maßnahme gehe.

Der Gesetzgeber müsse die Kriterien für eine Auswahl bestimmen. Die Behandlungsbedürftigkeit müsse zudem festgestellt werden "völlig unabhängig davon, ob jemand gesund oder ungesund gelebt hat, Sport getrieben hat, geraucht hat oder nicht oder ob er sich jetzt geimpft hat oder nicht", so Lob-Hüdepohl.

Hintergrund

Bundesverfassungsgericht fordert Regeln zur Triage -

Der Gesetzgeber muss unverzüglich Regelungen für den Fall einer pandemiebedingten Triage in Krankenhäusern treffen, um Behinderte zu schützen.

Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.

Damit haben die Richter der Verfassungsbeschwerde mehrerer Menschen mit Behinderungen und Vorerkrankungen stattgegeben. Die Kläger befürchten nachteiligt zu werden, wenn allein die medizinische Erfolgsaussicht entscheidend ist. Das sieht bislang die Empfehlung medizinischer Fachgesellschaften vor.

Triage beschreibt eine Situation, in der Intensivstationen so überlastet sind, dass Ärzte nicht mehr alle Patienten ausreichend versorgen können und deshalb eine Auswahl treffen müssen.