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Die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan habe man "falsch eingeschätzt" sagt nicht nur Außenminister Heiko Maas (SPD). Dem widersprechen einige Diplomaten, unter anderem Hans-Ulrich Seidt, der 2006 bis 2008 in Kabul als deutscher Botschafter tätig war. Die politische Ebene wollte nicht auf die Mahnerinnen und Mahner hören, sagt er.
"Wir hätten eigentlich schon seit vielen, vielen Jahren erwarten können, dass der Afghanistan-Einsatz des Westens – so wie er geplant wäre – zu keinem Erfolg führen kann", sagte Seidt. Der afghanische Staat der letzten 20 Jahre sei eine "Fassadenkonstruktion" gewesen, so Seidt, hinter dem traditionelle afghanische Strukturen und Konflitke weiter geköchelt hätten. Er verglich die aktuelle Situation mit einem vielstimmigen Chor, der immer lauter, aber nicht gehört wurde: Weder die Entwicklungshelferinnen und -helfer, noch Soldatinnen und Soldaten.
Seidt: Kabul ist nicht ganz Afghanistan
Deutschland habe bereits zuvor Menschen aus Afghanistan herausgebracht, die für die Bundeswehr gearbeitet haben, so der Diplomat. Er erinnerte auch daran, dass die Geschehnisse in Kabul und im Rest des Landes sich unterscheiden – die dramatischen Bilder aus der Hauptstadt spiegeln nicht die Situation in ganz Afghanistan wieder.
Diplomat rechnet mit Gesprächen zwischen Deutschland und Taliban
Die "alten" und "neuen" Taliban seien Kämpfer im eigenen Land, so Seidt. Er würde sie daher nicht gleichrangig behandeln wie Terroristen, die in Europa Anschläge verüben. Man müsse beobachten, wie sich die Taliban in den kommenden Tagen und Wochen verhielten. Dann würden wahrscheinlich Gespräche und Verhandlungen erfolgen, inwiefern Deutschland seine Entwicklungszusammenarbeit mit Aghanistan fortsetzt, sagte der Diplomat. Und: Deutschland würde die Taliban daran erinnern, dass eine Machtergreifung auch Verantwortung nach sich zieht.