-
Als Politkökonomin berät Maja Göpel die Bundesregierung und erforscht den Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Im Rahmen der ARD-Themenwoche "Wie wollen wir leben?" erklärt sie Inforadio-Redakteur Christian Wildt, worauf es beim Wandel zu mehr Nachhaltigkeit besonders ankommt.
Wie wollen wir zukünftig leben? Um diese Frage beantworten zu können, geht es für die Politökonomin Anja Göpel mittlerweile immer mehr darum, aus der Perspektive der wünschenswerten Zukunft zu denken, um dann auch auf diese hinwirken zu können.
"Gerade in der Nachhaltigkeitsdebatte werden wir auch viel dazu verleitet, nach hinten zu schauen, auf all das, was nicht mehr geht, was uns weggenommen werden soll und auf das wir verzichten sollen.“ Stattdessen will die Wissenschaftlerin nach vorne schauen auf die Frage, wer wir sein wollen.
Das Menschenwohl im Mittelpunkt
Sie selbst bezeichnet sich als Nachhaltigkeitswissenschaftlerin. "Das Interessante daran ist, dass die Nachhaltigkeitswissenschaften eine Verbindung aus Sozial- und Naturwissenschaften sind“, erklärt Göpel. Es gehe darum, Probleme ganzheitlich anzuschauen.
Anders als oft wahrgenommen, steht dabei jedoch nicht die Umwelt im Mittelpunkt. "Die Nachhaltigkeitsagenda versucht immer das menschliche Wohl und die menschliche Würde in den Mittelpunkt zu stellen“, sagt die Nachhaltigkeitswissenschaftlerin. Dann gehe es aber eben auch um die Frage, wie Menschen heute und in Zukunft ihre Bedürfnisse erfüllen können.
Deutschland ist verschwenderisch
Im globalen Vergleich stellt Göpel Deutschland kein gutes Zeugnis aus, wenn es um die Nachhaltigkeit geht. Auf der einen Seite nennt sie die große Menge an Müll, die in Deutschland produziert wird und die noch zu wenig in neue Produktionsprozesse eingebunden wird.
Anderseits seien die Deutschen immer noch zu verschwenderisch. "Dass wir im Durchschnitt 30 bis 40 Prozent von unserem Essen wegschmeißen, sogar von unserem bereits gekauften Essen, birgt natürlich riesige Potenziale, das Verschwenderische zu reduzieren“, sagt Göpel.
Gleichzeitig brauche es aber auch weitere technologische Revolutionen und Verhaltensänderungen, um weltweit auf eine gerechte Nutzung der natürlichen Ressourcen zu kommen, gibt die Nachhaltigkeitswissenschaftlerin zu bedenken.
Absolute Ressourcenziele notwendig
Ein großes Hindernis für mehr Nachhaltigkeit seien aktuell noch sogenannte Reboundeffekte. "Das heißt, dass für die Herstellung einzelner Produkte zwar mittlerweile weniger Energie und Ressourcen verwendet werden“, erklärt Göpel. Die eingesparte Energie und nicht verwendeten Ressourcen würden dann aber nicht unangetastet bleiben, sondern schlicht für etwas anderes benutzt.
Deswegen fordert die Nachhaltigkeitswissenschaftlerin inzwischen absolute anstatt relative Ressourcenziele – etwa wieviel CO2 insgesamt in der Atmosphäre vorhanden sein darf, damit das Klima nicht aus der Balance kippt, anstatt nur den Ausstoß zu verringern.
Es geht hier um die systemische Einbettung von ganz vielen einzelnen Prozessen, die jedoch alle eine besondere Bedeutung dafür haben, dass das große Ganze überhaupt funktionieren kann. "Da ist es ganz wichtig, auch auf absolute Zahlen zu schauen, hinter die wir nicht zurückfallen dürfen, damit wir das erhalten können, was uns der Bioreaktor Erde jedes Jahr aufs Neue schenkt.“