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Sind die Erfahrungen Ostdeutscher mit denen von Zugewanderten vergleichbar? Dieser Frage ist die Migrationsforscherin Naika Foroutan in einer Studie nachgegangen. Über Ausgrenzung und das Gefühl, als BürgerIn zweiter Klasse zu gelten, hat Christian Wildt mit Foroutan und dem Präsidenten der Bundeszentrale für Politische Bildung, Thomas Krüger, gesprochen.
Die Wende habe zu einer Art Verdrängungswettbewerb zwischen Ostdeutschen und MigrantInnen geführt, so Foroutan. "Dieses Sprichwort: Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört - das dachte die Migranten aus diesem zusammen wieder heraus", sagt die Professorin. Diese seien zu einem kollektiven Anderen gemacht worden.
"Kampf um den zweiten Platz in der Gesellschaft"
Kurz nach der Wende seien zwischen Ostdeutschen und MigrantInnen Konkurrenzen entstanden, sagt Krüger. Er habe dies als Berliner Jugendsenator etwa bei den jungen Erwachsenen auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz erlebt. "Da ist ein riesiger Kampf entbrannt um den zweiten Platz in der Gesellschaft", sagt der frühere SPD-Politiker.
Migranten und Ostdeutsche kämpfen mit den gleichen Stereotypen
Neben dieser Konkurrenz gebe es aber vor allem viele Gemeinsamkeiten in den Erfahrungen von Ostdeutschen und MigrantInnen, sagt Foroutan. In der Studie "Ost-Migrantische Analogien" hat sie Stereotype über beide Gruppen untersucht. "Wir haben muslimische und ostdeutsche Menschen befragt und festgestellt, es gibt drei ähnliche Stereotype, die immer wieder auftauchen: Der Vorwurf, man würde immer nur jammern (...), der Vorwurf des Extremismus (...) und der Vorwurf, die Menschen seien noch nicht im heutigen Deutschland angekommen", sagt die Wissenschaftlerin.
Ostdeutsche und MigrantInnen in öffentlichen Einrichtungen unterrepräsentiert
Über die Machtposition, die "Hegemonialität" der Westdeutschen werde bis heute zu wenig gesprochen, sagt Krüger. "Die Elitenforschung zeigt ganz eindeutig, dass sowohl Ostdeutsche als auch Migrantinnen und Migranten komplett unterrepräsentiert sind in den öffentlichen Einrichtungen", sagt der ehemalige DDR-Bürgerrechtler. Diese empirisch nachweisbare Ungleichheit müsse thematisiert werden, weil sie sonst geleugnet werde, betont auch Foroutan.
Das 30-jährige Jubliäum der Wiedervereinigung sei eine Chance über das zu sprechen, was falsch laufe. "Deutschland ist so ungleich wie 1913, was die Vermögensverteilung angeht", sagt Foroutan. "Freiheit ist keine Freiheit, wenn sie nur die Freiheit weniger ist", betont Krüger. Gleichwertigkeit sei eine Grundkonstante für jedes faire Freiheitsverhältnis.