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Nach dem Mauerfall ging der Westberliner Underground verloren und vermischte sich danach mit der Ostberliner Kulturszene neu. Darüber spricht Inforadio-Redakteurin Jana Ebert mit dem Musiker und Autor Wolfgang Müller sowie dem in Ostberlin geborenen Regisseur und Radio-Moderator, Jürgen Kuttner.
Müller zog 1979 von Wolfsburg nach West-Berlin, um an der Universität der Künste zu studieren. Sein Lebensstil war "trashig", sagt er heute. Er lebte von Bafög, hatte eine Wohnung mit Außentoilette, wenig Geld, aber auch viel Freiheit, seiner Kunst nachzugehen.
Jürgen Kuttner erinnert sich an Ost-Berlin als den "sozialistischen Zwilling" West-Berlins. Auch der Ostteil der Stadt war ein Aushängeschild, mit allerlei Symbolismus aufgeladen - "und da drunter gibt's immer ein Berlin, in dem man irgendwie auch lebt", so Kuttner.
West-Berlin: Geschlossener Kunstbetrieb
Müller traf Anfang der 80er Jahre in Westberlin auf eine recht geschlossene Kunstszene, in der man sich erst einmal etablieren musste. Am ehesten experimentell wurde es in besetzten Häusern, das Medium der Stunde war Post-Punk - Musik war offen für Neues, erinnert sich Müller. Damals gründete er auch die Band "Die tödliche Doris".
Mehr Zeit für Kreatives in Ost wie West
Kuttner sieht Parallelen in der Zeitnutzung - man hatte weniger Druck von außen, der Alltag lief, Menschen hatten mehr Freizeit und widmeten sich auch kreativen Dingen. In Ost-Berlin entstanden zum Beispiel Magazine und es gab eine lebendige Kassettenkultur. Allerdings hätte die West-Szene den Osten als kreatives Territorium nie richtig wahrgenommen, so Kuttner.
Zweite Heimat Volksbühne Berlin
Clubs und Kneipen wurden nach dem Mauerfall zu Begegnungsorten, so Kuttner. Auch die Volksbühne spielte eine große Rolle - sie thematisierte den Mauerfall auch auf der Bühne. Die Volksbühne wurde so etwas wie ein zweites Zuhause für ihn. Müller erlebte, wie ihn die Volksbühne als offener und moderner Ort empfing und er dort seine Ideen umsetzen konnte - mit weiter Strahlkraft.
Berlin als Wahl-Heimat im stetigen Wandel
Berlin habe immer einen Sonderstatus gehabt, in Ost wie in West, sagte Kuttner. Mittlerweile versuche sich die Stadt seit 30 Jahren zu erneuern - aber übersehe dabei manchmal, dass die Innovation aus einer starken Kulturszene komme, so der Theatermacher. Heimat sei für ihn nicht nur ein Ort, sondern auch der Berliner Dialekt. Für Müller ist Berlin-Kreuzberg seine Wahlheimat - dort werde zwar kräftig mit Immobilien spekuliert, aber es habe sich auch eine bunte Kiez-Szene entwickelt, die man sich vor 30 Jahren kaum hätte vorstellen können.