Wiedervereinigung, Fest der Einheit am 2./ 3.10.1990, Feiernde am Brandenburger Tor Berlin, Deutschland, Europa
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- Schulze: "Man muss sich nicht immer einig sein"

Seit 30 Jahren sind Ost- und Westdeutschland nun wiedervereint. Schriftsteller Ingo Schulze kritisiert, dass es weiterhin Vorurteile gebe und die historische Aufarbeitung der Ost-West-Beziehungen nur einseitig geschehe.

Das Bild, das viele Westdeutsche von der DDR hatten, lässt sich in einem Satz zusammenfassen, den Schriftsteller Ingo Schulz vor kurzem bei einer Diskussion von Wolfgang Schäuble gesagt bekam: "In der DDR gab es keine Farbe. Selbst die Menschen hatten wenig Farbe im Gesicht. Ich hätte zu Zeiten der DDR einen Menschen mit einer Gesichtsfarbe wie sie selten im Straßenbild gesehen."

Schulze konnte darauf nur mit Ironie reagieren: "Ich habe gesagt, dass ich Bluthochdruck habe. Ich hätte vielleicht besser gesagt, dass die Anzahl der Sonnenstunden sich mit dem 3. Oktober 1990 schlagartig erhöht hat. Ich meine, was soll man darauf erwidern?"

Man müsse gar nicht immer Einigkeit demonstrieren, so Schulze - Unterschiede seien ja auch gut, es komme darauf an, wie man mit den Unterschieden umgehe.

Die Wiedervereinigung - eine Enteignung?


Konflikte um die Wahrnehmung Ostdeutschlands verdeckten eine tieferliegende Debatte, so Schulze - nämlich dass 1990 "eine flächendeckende Enteignung im Osten" stattfand, so der Schriftsteller. Das "DDR-Gebiet wurde dann als eigentlich staatlich hochsubventionierter Absatzmarkt ohne Konkurrenz der westlichen Wirtschaft übergeben", sagte Schulze.

"Im Westen wird sich nichts ändern"


In den alten Bundesländern fühle sich die Wiedervereinigung heute eher an wie ein Beitritt, so Schulze. Daran sei der Osten aber auch selbst schuld, denn man hätte den Versprechen des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl geglaubt. "Dies hieß: Im Westen wird sich nichts ändern, der Westen diktiert die Bedingungen", so der gebürtige Dresdner. Ebenso sei bei der Transformation der DDR-Wirtschaftspolitik vieles falsch gemacht worden, es kamen Schulden zusammen, die durch die Wirtschaftsreform befeuert wurden. Es müsse heute nicht nur Kritik am Osten, sondern auch am Westen geben, so Schulze.

Buchtipp

Ingo Schulze
"Die rechtschaffenen Mörder"
320 Seiten
S. Fischer-Verlag, März 2020
ISBN: 978-3103900019

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