-
Wenn in Europa um Geld gestritten wird, kommen häufig alte Ressentiments hoch. Doch was verbindet und was trennt Europa 75 Jahre nach dem Kriegsende? Stephan Ozsváth hat über den Kultur- und Diskursraum Europa mit dem Politologen Albrecht von Lucke gesprochen.
"Wir hatten eine doppelte Chance", sagt der Publizist und Politologe Albrecht von Lucke. Denn für Deutschland und Europa gab es entscheidende Zäsuren: So ermöglichte 1945 das ende des Zweiten Weltkriegs eine Öffnung Richtung Westen, 1989 folgte dann durch den Fall der Mauer eine Öffnung Richtung Osten.
Seit der Eurokrise vor etwa zehn Jahren und durch die Flüchtlingskrise wurden laut von Lucke Ressentiments forciert: "Wir befinden uns in einem enormen Kontext der Re-Nationalisierung und einer neuen Abstandnahme von dieser gemeinsamen europäischen Identität." Das liege auch daran, dass die Idee des gemeinsamen Hauses Europa zu weit getrieben wurde. Lucke nennt dabei den Bereich der Währung und den Bereich, was von Staaten selbst bestimmt werden sollte.
Vielfalt in Europa
"Europa ist ein Kontinent der Pluralität und der Vielfalt". Das mache es so hoch attraktiv. Der Kontinent müsse sich aber auch in der Einheit behaupten, um gegen andere Großmächte zu bestehen. Diese große Herausforderung werde laut von Lucke in der Coronakrise zugespitzt.
Gegenhalten gegen Ressentiments
Es sei wichtig, in Europa deutlich zu machen: So plural der Kontinent sei, hängen dennoch die Staaten voreinander ab. Andernfalls laufe man Gefahr, dass die Ressentiments der Staaten untereinander zunehmen. "Und dann zerfällt diese europäische Solidar- und Identitätsgemeinschaft", so der Politologe. Von Lucke fordert daher eine europäische Öffentlichkeit.
Die Erinnerung an das Kriegsende 1945 - an ein zerstörtes Deutschland und an zerstörte Nachbarstaaten, aber auch an den Wiederaufbau - sei eine Chance deutlich zu machen, dass die Länder in Europa eine gemeinsame Geschichte teilen.