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Das deutsche Wirtschaftswachstum geht 2019 zurück - da sind sich Bundesregierung und Wirtschaftsinstitute einig. Kein Grund zur Panik, meint Politikwissenschaftler Kay Bourcarde. Er arbeitet im Arbeitsministerium Rheinland-Pfalz und ist ehrenamtlicher Vorsitzender des Gießener Instituts für Wachstumsstudien. Wirtschaftsredakteur Gerd Dehnel hat mit ihm über die vermeintliche Wirtschaftskrise in Deutschland gesprochen.
Bei den aktuellen Wachstumsraten für Deutschland - etwa der IWF-Prognose - könne man nicht wirklich von einer Krise sprechen, sagt Bourcarde. "Diese 1,3 Prozent - das mag wenig klingen. Wenn man sich das in absoluten Beträgen mal anschaut, dann sind das Summen von um die 30 Milliarden Euro. Das heißt, das ist eine enorme Summe." Deutschland wachse auf sehr hohem Niveau.
Der Eindruck, dass es der Wirtschaft weniger gut gehe, hänge eng damit zusammen, "dass wir den Zustand unserer Ökonomie eben immer an den Wachstumsraten festmachen". Sie seien tatsächlich ein wichtiger Indikator, gibt der Politikwissenschaftler zu - "wie eine Art umgekehrtes Fieberthermometer: Sinken sie, ist das ein Anzeichen dafür, dass irgendwas mit unserer Ökonomie nicht stimmt." Dahinter stecke aber eine unausgesprochene Vorstellung, wie sich moderne Volkswirtschaften entwickeln, nämlich exponentiell.
Das sei - grafisch gesehen - eine immer steiler werdende Kurve, so Bourcarde. "Das heißt aber auch, dass der Sprung, den wir jedes Jahr schaffen müssen, um noch auf denselben Prozentsatz zu kommen auch jedes Jahr größer wird." Es reiche nicht nur, die Leistungskraft jedes Jahr zu steigern, sondern es müsse schneller und schneller geschehen.
Deswegen sei eine langsam wachsende Wirtschaft nicht kritisch, sondern die Normalität, so der Politikwissenschaftler. Schaue man auf die Entwicklung der modernen Volkswirtschaften der vergangenen 60 Jahre zurück, dann zeige sich, dass sie sich nicht exponentiell, sondern linear entwickelt haben.
Buch: "Die Scheinkrise" von Kay Bourcarde
Taschenbuchausgabe: 168 Seiten
erschienen am: 18. September 2018
Verlag: Wochenschau Verlag