Das raue Berlin: Obdachlose in Berlin - Essen, Schlafen, nicht allein sein
"Guten Morgen Berlin, du kannst so schön schrecklich sein", singt Peter Fox in "Schwarz zu Blau". Schön und schrecklich direkt nebeneinander - das ist Berlin und das zeigt sich selten so deutlich wie an der Potsdamer Straße. Am einen Ende wurde bis Sonntagabend bei der Berlinale Sektchen getrunken und glamourös gefeiert, ein paar Meter weiter kommen Straßenstrich und Obdachlosigkeit. Inforadio-Reporter Martin Adam war in der "alten Pumpe", einer Notunterkunft für obdachlose Menschen.
Zwei Grad, es ist windig, draußen auf der Lützowstraße fällt dünner Schnee. Wojtek sucht seinen Weg über den Hinterhof in die Notübernachtung der Kältehilfe. Er sieht müde aus, das Leben auf der Straße ist neu für ihn. Er sagt: "Ich bin nach Berlin gekommen, um Arbeit zu finden. Meine Gesundheit ist schlecht, ich muss drei Mal die Woche zur Dialyse, da bin ich schwach. Ich kann nicht den ganzen Tag arbeiten. Und in Polen gibt's dafür nur 500 bis 600 Euro. Hier lohnt sich das eher. Aber ich sag Ihnen: Berlin ist eine harte Stadt."
Und bisher hat Wojtek keinen Job gefunden. Er sei 40, sagt er, während er im kleinen Essensraum seine Suppe löffelt. Er habe die letzten Jahre in Frankfurt am Main gelebt, aber alles an seine Ex-Frau verloren. Seinen echten Namen will er nicht sagen. Die letzte Nacht hat er draußen verbracht, heute gibt es in der "Pumpe" wenigstens ein Bett.
Kartoffelsuppe und Couscous
Auch Philipp heißt eigentlich anders. Er hat heute in der engen Küche gekocht: Kartoffelsuppe und Couscous-Pfanne - ehrenamtlich, nach dem Feierabend in der Anwaltskanzlei. Phillip sagt, er will nicht erkannt werden, weil er sich nicht erklären möchte. Manche seiner Bekannten würden weder verstehen, was er hier macht, noch dass das Bild vom faulen Obdachlosen, der lieber trinkt als arbeitet, zu einfach ist.
"Es gibt hier jemanden, der hat seine ganze Familie bei einem Autounfall verloren und ist dann auf der Straße gelandet. Der ist ein supernetter Typ. Dann gibt es hier Leute, denen sieht man das auch wirklich an. Die sind abgerockt. Und dann gibt es Leute, denen man es auf der Straße nicht ansehen würde, die relativ gepflegt sind. Das war für mich am Anfang ein bisschen schockierend, dass ich selber schon so ein Bild hatte, so ein Schema. Und das stimmt hier einfach nicht."
Schlafplätze fast ausgebucht
In der Kältehilfe geht es ums Elementare: Essen, Schlafen, nicht allein sein. Mit drei anderen Helfern gibt Phillip Essen aus, muss Streit schlichten und dafür sorgen, dass keine Drogen ins Haus kommen. Zwischen März und November ist die Pumpe ein Haus für Jugendbegegnungen. Jetzt im Winter darf die AWO 50 Schlafplätze an Obdachlose vergeben - und die sind schon fast ausgebucht. Es ist kalt, das merken sie hier sofort. Die meisten Gäste schlafen schon, Birgit sitzt noch im Essensraum und wärmt sich - nicht zum ersten Mal. "Ich war hier schon. Aber auf Dauer mit drei, vier Leuten, die man nicht oder kaum kennt - das stresst. Man kann auch draußen im Schlafsack rumliegen, das geht auch."
Vor drei Jahren hat sie ihre Wohnung verloren, eine neue kann sie sich nicht leisten. Dass es hier, nicht weit vom Potsdamer Platz, immer edler wird und die Ärmsten verdrängt werden, wird in der "Pumpe" so deutlich wie selten. Wojtek ist dankbar für die Kältehilfe, aber er will so schnell wie möglich weg. "Ich hab den Tag heute so verbracht, wie die Obdachlosen hier. Das ist schrecklich - obwohl es ja Plätze wie hier gibt, wo geholfen wird. Ich muss so schnell wie möglich raus aus dieser Scheiße, da wird man ja wahnsinnig." Nur, woher das Geld kommen soll, das weiß Wojtek noch nicht.
Kontakt zur Kältehilfe
Unter diesen Nummern erreichen Sie die Kältehilfe:
030 810560425 (Berliner Kältehilfe)
0178 523 58 38 (Kältebus der Berliner Stadtmission)
0170 910 00 42 (Wärmebus des Deutschen Roten Kreuzes)