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"Alles hat drei Seiten" - das ist der Titel einer besonderen Reisereportage, die einmal im Monat auf Inforadio zu hören ist. Inforadio-Redakteur Jörg Poppendieck ist nämlich mit seiner Frau Kerstin und ihrer gemeinsamen sechsjährigen Tochter Thandi unterwegs. Ein Jahr lang, rund um den Globus. Inzwischen sind sie in Südamerika gelandet – und sie berichten von ihren Erlebnissen auf den Galapagosinseln, die etwa 1000 Kilometer vor der Küste von Ecuador liegen.
Kerstin: Ein Flug auf die Galapagosinseln ist anders als andere Flüge. Mehrfach wird das gesamte Gepäck durchleuchtet, geöffnet und untersucht - auf der Suche nach Samen oder Tieren, die versehentlich eingeschleppt werden könnten. Danach wird das Gepäck dann versiegelt. Auch Schuhprofile müssen zum Beispiel frei von Erde und Lehm sein. Im Flugzeug dann kurz vor der Landung wird ein Insektizid versprüht.
Jörg: Unser Zuhause in den kommenden Tagen ist die Santa Cruz II. Ein siebzig Meter langes Schiff auf dem 90 Gäste Platz haben. Mit diesem Schiff und mehreren Guides des Galapagosnationalparks wollen wir die vulkanische Inselgruppe mit ihrer einzigartigen Tierwelt entdecken. Viele der Tiere auf den Inseln sind endemisch, das heißt es gibt sie nur hier.
Jörg: Mit einem Schlauboot geht es an Land, wo wir von einem streng riechenden Empfangskomitee begrüßt werden. Vier Seelöwen lümmeln auf mitten auf dem Pier in der Sonne. Von uns nehmen sie keine Notiz. Als wir direkt an ihnen vorbeilaufen, zucken sie nicht mal. Thandi nehme ich auf den Arm. Ihr sind die Seelöwen von San Christobal nicht geheuer. San Christobal ist die Insel die Charles Darwin mal besuchte, als er auf dem Schiff Beagle 1835 das Archipel bereiste. Wie die anderen Inseln hier ist sie extrem isoliert und lebensfeindlich. Für unser Verständnis der Welt und der Evolution ist sie deshalb ein Glücksfall. Tiere die hierher geweht oder auf Treibholz angetrieben wurden, mussten sich schnell und radikal den neuen Lebensumständen anpassen, um überleben zu können. Das ist nur wenigen gelungen... und die sind heute gefährdet.
Eine 30minütige Busfahrt bringt uns ins Innere der Insel und zu unserem ersten Ausflugsziel.
David: Willkommen im Schildkrötenkindergarten der Insel San Christobal. Die Schildkröten in den geschützten Käfigen sind zwischen ein Monat und zwei Jahren alt.
Kerstin: Wir sind in einer von drei Aufzuchtstationen für DAS Symbol der Galapagosinseln - der Riesenschildkröte. Die Tiere, die uns unser Guide David als erstes zeigt, sind allerdings eher klein, vielleicht 15 Zentimeter groß und alle haben Nummern auf dem grünen Panzer. Sie befinden sich in mehreren Käfigen - und zwar zu ihrem Schutz, wie er uns erklärt. Ihre Panzer sind noch zu weich und sie sind deshalb eine leichte Beute für die schwarze Ratte. Die wurde von den ersten Einwanderern auf die Galapagosinseln gebracht und macht seitdem den Schildkröten das Leben schwer.
David: Der Bestand wurde stark dezimiert. Jüngste Studien gehen davon aus, dass es auf den Inseln mal mehr als eine Million Schildkröten gegeben hat. Heute gibt es nur noch 35.000. Der Nationalpark will gar nicht die alte Zahl von mehr als einer Million erreichen. Es geht darum, einen stabilen Bestand zu haben, der in der Lage ist, ohne Eingriff von außen zu überleben. Deshalb gibt es die Aufzuchtstationen und es wird auch versucht, Pflanzen und Tiere, die hier nicht hergehören, zu vernichten. Ziel ist ein stabiles Ökosystem, in dem die Schildkröten leben können. Wenn das erreicht ist, werden die Aufzuchtstationen geschlossen.
Jörg: Der Aufwand den die Nationalparkverwaltung betreibt, ist enorm, erzählt uns unser Guide. So kamen vor wenigen Jahren sogar mal Scharfschützen zum Einsatz. Sie haben ausgebüxte Ziegen getötet. Und auf kleinen Inseln des Galapagosarchipels wurden Rattenfallen aufgestellt. Um zu verhindern, dass Greifvögel die Rattenkadaver fressen, wurden sie sogar vorübergehend eingefangen.
David: Das ist eine Menge Arbeit. Ein Ökosystem zu stören, vor allem die Galapagosinseln, ist relativ einfach. Die Inseln sind extrem fragil. Sie waren über mehrere Millionen Jahren isoliert. Viele der Tierarten hier kennen deshalb keinen Wettbewerb. Sie hatte keine Feinde oder Wettbewerber. Plötzlich tauchen Ziegen auf, die alles gefressen haben. Oder Feinde, wie Schweine oder Ratten. Die Tiere auf den Inseln wussten nicht, wie sie damit umgehen sollten. Sie kannten eine solche Situation schlicht nicht. Es ist also einfach ein solches System zu stören. Es wieder herzustellen, dauert dagegen sehr, sehr lange und ist extrem teuer.
Kerstin: Warum ein Besuch der Galapagosinseln so einzigartig ist, erleben wir wenig später bei einem Landgang ganz im Norden der Insel. Nirgends haben wir Tiere erlebt, die so zutraulich sind wie auf Galapagos. Ob Leguane, Vögel oder Fische – sie laufen, fliegen oder schwimmen einfach nicht weg, als wir uns ihnen nähern. Die Inseln wurden erst im 18. Jahrhundert besiedelt. Für die Tierwelt eine zu kurze Zeit, um zu checken, wie gefährlich Zweibeiner sein können. Und so können wir mehrere Blaufußtölpel aus nächster Nähe beobachten.
Jörg: Unser Alltag an Bord der Santa Cruz II ist geprägt von zahlreichen Ausflügen. Wir wandern, schnorcheln oder sind mit Schlauchbooten unterwegs. Wo auch immer wir mit unserer kleinen Gruppe ankommen, sind wir die einzigen Touristen vor Ort. Das ist kein Zufall, sondern Planung der Nationalparkverwaltung. Der Tourismus auf den Galapagosinseln ist streng reguliert. Wir dürfen uns beispielsweise den Tieren nicht näher als zwei Meter nähern, nur an wenigen genau definierten Besichtigungspunkten an Land gehen und die vorgeschriebenen Wege auf keinen Fall verlassen. Als mir das doch mal passiert, werde ich von unserem Expeditionsleiter Ramiro ermahnt.
Ramiro: Meistens kläre ich am ersten Tag die Reisen über die Regeln und Verbote im Nationalpark auf. Menschen mögen das nicht, wenn man ihnen sagt, was sie dürfen und was sie nicht dürfen. Aber an einem Ort wie den Galapagosinseln müssen sie die Regeln befolgen. Nur so können wir vernünftig mit den Tieren zusammenleben. Ich sage immer, es gibt überall auf der Welt Orte, in denen Menschen neben Nationalparks wohnen. Das ist ein Privileg. Hier auf den Galapagosinseln sind wir mitten drin im Nationalpark. Wir müssen deshalb noch vorsichtiger sein. Es hat natürlich Veränderungen in den vergangenen Jahren gegeben. Auch die Natur ist davon betroffen, allerdings nur in sehr geringem Umfang. Alle Veränderungen auf den Galapagosinseln werden von der Regierung genau analysiert.
Kerstin: Die Zahl der Touristen ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. 2017 besuchten mehr als 240-Tausend Menschen die Galapagosinseln. Zehn Jahre davor waren es noch 170-Tausend. Die UNESCO sieht im Tourismus eine der größten Gefahren für die Tierwelt. Mehr Touristen bedeuten unter anderem: mehr Müll und mehr Verkehr. Außerdem steigt die Gefahr, dass Tier- und Pflanzenarten eingeführt werden, die dramatische Auswirkungen auf heimische Arten haben könnte.
Dazu kommt: Süßwasserquellen und fruchtbare Böden gibt es kaum. Lebensmittel und Baustoffe werden mit Schiffen vom Festland auf die Galapagosinseln gebracht. Strom und Trinkwasser durch Generatoren und Meerwasserentsalzungsanlagen erzeugt.
Unser Guide Ramiro erzählt uns, dass Tourismus auf den Galapagosinseln ein schwieriger Balanceakt ist zwischen den Interessen von Mensch und Natur. Er setzt auf teuren Ökotourismus. Denn das Geld, dass die Touristen mitbringen, werde dringend benötigt, um die 96 Prozent der Galapagosinseln intakt zu halten, die Touristen nicht betreten dürfen.
Ramiro: Wir wollen keinen Massentourismus. Selbst die Menschen auf den Galapagosinseln wollen das nicht. Ich kann mich daran erinnern, dass einer der Präsidenten Ecuadors vor einigen es einigen Kreuzfahrtschiffen mit bis zu 2000 Passagieren erlaubt hat, die Inseln anzusteuern. Danach wurden einige Tests gemacht. Die Infrastruktur ist unter dem Ansturm zusammengebrochen und auch die Inselbewohner haben gesagt, dass sie das nicht noch mal wollen. Wir wünsche uns Touristen, die die Natur lieben und sie respektieren. Das ist vielleicht etwas harsch, aber ich möchte niemanden hier, der nur eine gute Zeit mit Drinks am Strand haben will. Es gibt ganz sicher besser und vor allem günstigere Plätze, um das zu tun.