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Kolumbien ist die nächste Station von Familien Poppendieck auf ihrer Weltreise. Dort leben sie begeistert für zwei Wochen in der zweitgrößten Stadt Kolumbiens, in Medellín. Und in der kleinen Kolonialstadt Jardín schauen sie nach, wie der Kaffee wächst. Doch überall treffen sie auf die Spuren des Bürgerkrieges.
Jörg: Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg nach Jardin. Eine Kleinstadt wie aus dem kolumbianischen Bilderbuch über das Leben auf dem Land. Die Häuser sind bunt angestrichen, an den Balkonen hängen Blumentöpfe. Das Leben spielt sich vor allem rund um den Freiheitspark im Zentrum ab. In der Mitte ein Springbrunnen, Bäume und Bänke. Drumherum eine große Katholische Kirche, Restaurants, Bars, in denen ältere Männer mit Cowboyhüten sitzen und Bier oder schwarzen Kaffee trinken. Und genau deshalb sind wir. Die Gegend ist für ihren hervorragenden Kaffee bekannt. Und wie der angepflanzt wird, wollen wir uns zeigen lassen.
Kerstin: So klingt es, wenn das Fruchtfleisch, die Schalen und die Kaffeebohnen in einer Maschine voneinander getrennt werden. Früchte, die wir vorher zusammen mit Ruben Dario Romero gepflückt haben. Der Kolumbianer trägt ein grünes Poloshirt und einen weißen Strohhut. Ihm gehört die Farm in 1800 Metern Höhe, ganz in der Nähe von Jardin. Rubens Augen glänzen, wenn er von seiner Farm spricht. Und unsere vermutlich auch, denn der Blick auf die steilen Berge ist unglaublich schön. 50 shades of green. Ruben erzählt uns, dass er keine Insektizide nutzt und Monokulturen vermeidet, was man gut sehen kann. Zwischen den Kaffeepflanzen stehen Bananenpflanzen, Orangen- und Avocadobäume... und darüber fliegen jede Menge bunte Vögel.
Jörg: Nach der zweiten Tasse Kaffee sprechen wir über das in Kolumbien fast unvermeidliche Thema. Die lange und blutige Vergangenheit des Landes. Das wir als Touristen und dann auch noch mit Kind seine Farm besuchen, wäre vor einigen Jahren schlicht nicht möglich gewesen.
Ruben: Ich werde das nicht abstreiten. Wir hatten viele Probleme und das ist bekannt. Es waren eine Menge Schwierigkeiten. So viele, dass wir drauf und dran waren, die Finca zurückzulassen. Jetzt mit dem Friedensprozess ist unser Land ruhiger. Es gibt eine Menge Ausländer, die hier in der Gemeinde investieren. Wir sitzen hier an der frischen Luft und trinken einen guten Kaffee, ohne dass wir Angst haben müssen dass etwas passiert oder jemand entführt wird. Jetzt ist es ruhig in unserem Land. Es gibt keine Entführungen mehr, und es gibt auch niemand mehr in den Bergen, der Leute entführt.
XX Wir sind zurück in Jardin in einem Café, in dem der Kaffee von Ruben Dario Romero verkauft wird. Wir trinken die mittlerweile dritte Tasse, für Thandi gibt es einen Kakao, und gemeinsam werten wir unseren Besuch auf der Farm aus.
Kerstin: Nach unserem Ausflug aufs kolumbianische Land zieht es uns zurück in die Stadt. Nach Medellin. Und erstmals bleiben wir hängen. Zum einen weil es uns so gut gefällt, und weil wir eine Pause vom Reisen brauchen. Wir mieten uns für zwei Wochen eine Ferienwohnung und genießen es, mal wieder länger an einem Ort zu sein. Medellin ist dafür genau richtig. Finden wir. Das Klima ist angenehm. Es gibt tolle Parks, für Thandi viele öffentliche Basketballplätze, eine lebendige Innenstadt, aber auch ruhigere Stadtviertel voller hipper Cafes und Restaurants.
Jörg: Eines der berühmtesten Restaurants ist das El Cielo. Das ist nicht nur für seine Küche bekannt, sondern auch dafür, dass dort ehemalige Soldaten, Paramilitärs und Guerilleros zu Köchen ausbildet werden. Gut essen und einen guten Zweck unterstützen, das gefällt uns. Meine Ceviche hat Romero zubereitet. Er erzählt uns, dass Paramilitärs seinen damals 15jährigen Bruder zwangsrekrutiert haben. Er selbst hat auf Seiten der Armee gekämpft und durch einen Miene ein Bein verloren. Deshalb trägt er eine Prothese. Im El Cielo arbeitet er heute mit ehemaligen Feinden zusammen.
Romero: Am Anfang war es eine große Herausforderung. Verzeihen ist das Schwierigste, das man im Leben machen kann. Als ich erfahren habe, dass ich mit ehemaligen Guerilleros arbeiten würde, musste ich erstmal mein Herz und meinen Verstand darauf vorbereiten. Und anfangen die Realität zu verstehen: Ich konnte nicht mit Hass zur Arbeit gehen. Wenn ich ein wenig Frieden haben wollte, musste ich mein Denken ändern und diesen Leuten eine zweite Chance geben. Irgendwie sind sie ja auch Opfer dieses Krieges.
Kerstin: Das Kolumbien, das wir erleben, ist einladend und herzlich. Doch noch gibt es im Land keinen vollständigen Frieden. Mitte Januar beispielsweise starben bei einem Bombenanschlag auf eine Polizeischule in Bogota mehr als 20 Menschen. Bekannt zu dem Anschlag hat sich die marxistisch orientierte Guerilla-Bewegung ELN, Nationale Befreiungsarmee.
Jörg: Bei einer Stadtführung durch Medellín sprechen wir mit unserem Guide über den Anschlag. Daniel ist 32 Jahre alt. Die schlimmsten Zeiten in Kolumbien kennt er nur aus Erzählungen seiner Eltern. Er erzählt uns, dass der konservative Präsident Iván Duque die Friedensgespräche mit der Guerilla wegen des Anschlags beendet hat.
Daniel: Das ist traurig, denn die Regierung hat ja Verhandlungen mit den Guerillas begonnen. Allerdings muss man dazu sagen, dass die Position der neuen Regierung konfrontativ ist, sie will keine Kompromisse eingehen. Mein Eindruck ist, dass ihnen das Ende der Verhandlungen ganz recht ist. Es ist gerade ganz schön chaotisch und der Gedanke an einen neuen, offenen Krieg macht mir Angst.
Jörg: Zusammen mit Daniel sind wir mit der Metro in Medellín unterwegs. Zwar gibt es nur zwei Linien und doch ist die Metro der ganze Stolz der Stadt. Sie ist pünktlich und sauber. Als ich mit meinem Kaffee einsteigen möchte, erklärt mir unser Stadtführer Daniel, dass Essen und Trinken in der Metro verboten ist, und tatsächlich hält sich jeder daran. Daniel zeigt uns sein Medellín. Die Stadt, die damit wirbt, eine der innovativsten Städte der Welt zu sein. So gibt es zum Beispiel Seilbahnen, die an das Metronetz angeschlossen sind. Sie verbinden die Armenviertel an den Berghängen mit dem Stadtzentrum. Seit Medellín deutlich sicherer geworden ist, sind die Gondeln auch ein beliebtes Ziel für Touristen. Die kommen mittlerweile in Scharen und aus gutem Grund. Doch Daniel fürchtet, dass sich das auch schnell wieder ändern könnte. Er ist ganz klar kein Befürworter der aktuellen Regierungspolitik. Daniel macht auch die Regierung für die Gewalt im Land verantwortlich.
Daniel: Sie wollen, dass die Menschen Angst haben und sie wollen die Kämpfe mit den Guerillas. Sie brauchen diesen Konflikt. Im vergangenen Jahr war der Fokus noch ein ganz anderer. Da ging es um Themen wie Korruption oder die soziale Situation im Land. Die Menschen haben der Regierung auf die Finger geschaut. Deshalb versucht die Regierung jetzt die Aufmerksamkeit der Menschen auf andere Dinge zu lenken. Das macht mir Angst.
Wir verabschieden uns von Daniel unserem Guide und von Kolumbien und hoffen, dass seine Sorge unbegründet ist. Wir drei würden gern wieder kommen. In ein Land, in dem es dann hoffentlich einen vollständigen Frieden gibt.