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Die zweite Station ihrer Familien-Weltreise führt die Poppendiecks - Inforadio-Redakteur Jörg, seine Frau Kerstin und Tochter Thandi (5) auf die malaysische Insel Penang. Dort gibt es das beste und vielfältigste Essen Asiens, sagt man: Einflüsse der chinesischen, indischen und arabischen Küche haben hier zueinander gefunden. Gemeinsam erzählen die Poppendiecks, wie es ihnen geschmeckt hat.
Kerstin: Wer reist, braucht Glück. Klingt wie ein Kalenderspruch, ist aber so. Und wir haben Glück. Auf Penang wird gleich an unserem ersten Reisetag die Unabhängigkeit des Landes gefeiert - und wir sind mittendrin. Bei der großen Parade vor dem Rathaus von Georgetown, der Inselhauptstadt, marschieren Schülergruppen, die Feuerwehr, das Militär und viele andere mit, die wir auf die Schnelle nicht erkennen können.
Jörg: Mich erinnert das Ganze an den 1. Mai in der DDR als ich mit meiner Schulklasse durch das brandenburgische Premnitz marschieren musste. Aber es gibt wohl kaum eine bessere Möglichkeit, in das Land einzutauchen und die Menschen, die mit Fähnchen am Straßenrand stehen, beobachten zu können.
Dass es Konflikte zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen Malaysias gibt, merkt man hier und heute nicht. Alle marschieren fröhlich vor sich hin. Sogar die Armee ist mit Jets über die Altstadt von Georgetown geflogen. Was für ein Spektakel! Thandi fand es großartig. Auf meinen Wunsch hin sind wir nach zwei Stunden in ein klimatisiertes Café geflüchtet.
Kerstin: Wir haben uns für Penang als Reiseziel entschieden, weil uns Freunde die Insel ans Herz gelegt haben. Und zwar aus zwei Gründen: Hier kann man auf kleinem Raum die Völkervielfalt und Geschichte Malaysias erleben. Penang war einst ein britischer Handelsposten in der Straße von Malakka, eine Meerenge zwischen Malaysia und Sumatra. Die Insel hat auf der Gewürzroute gelegen und war ein umtriebiger Handelsplatz. Im Laufe der Jahre sind deshalb Europäer, Chinesen, Inder und Araber hierhergezogen und geblieben.
Jörg: Und was sie mitgebracht haben, ist ihre regionale Küche. Georgetown hat heute den Ruf, die beste und vielfältigste Küche Asiens zu bieten. Und da sind wir dann beim zweiten Reisegrund - dem Essen. Gegessen wird hier vor allem auf der Straße. In Garküchen verkaufen Hawker ihre Speisen. Das wollen wir uns nicht entgehen lassen. Allerdings sind wir drei eine anspruchsvolle Mischung: Ich esse gern, vertrage aber nichts Scharfes. Kerstin hat wenig Lust auf Abenteuer und Thandi ist ein fünfjähriges Kind, das am liebsten Nudeln mit Ketchup isst. Deshalb haben wir in Penang vorsichtshalber eine Flasche Ketchup gekauft. Für den Fall, dass wir nichts finden.
Kerstin: Wir sind unterwegs im indisches Viertel der Altstadt von Georgetown, auf einer Foodtour. Jessi ist unser Guide. Sie ist 63, in Penang geboren und das Erste, was sie uns vermittelt: Auf Penang wird alles zu jeder Tageszeit gegessen. Für uns gab es zum Frühstück Poori, frittiertes, indisches Brot und Chutneys: "Du kannst das immer essen. Wenn du es am Morgen isst, dann nennst du es einfach Frühstück. Wenn du es mittags isst, dann bezeichnest du es als Mittagsessen. Du kannst es auch am Abend essen. Wann immer du willst. Es geht eher darum, wonach dir ist, wenn du morgens aufstehst. Meine Vorfahren kommen aus Indien. Das bedeutet aber nicht, dass ich unbedingt ein indisches Frühstück brauche. Ich könnte auch ein chinesisches, oder ein malaysisches essen. Ich will ehrlich sein. Wenn wir essen, sind wir meist gar nicht wirklich hungrig. Wir sehen oder riechen etwas und wollen es dann einfach essen. Deshalb sind die Garküchen auch so voll. Wenn ich an einem Pfannkuchen-Stand vorbeikomme, halte ich manchmal einfach an, obwohl ich gar keinen Hunger habe und hole mir einen, schlicht, weil ich Lust darauf habe und der Hawker einfach gut ist. Wir leben, um zu essen."
Jörg: Ein schmuckloser weißgekachelter Raum mit Plastiktischen und Stühlen ist die zweite Station unserer kulinarischen Reise durch die Innenstadt von Georgetown. Wir sind mittlerweile im chinesischen Viertel. Hier probieren wir Char Kway Tiau. Eines der bekanntesten Gerichte Penangs: In Schweineschmalz im Wok gebratene Nudeln mit dunkler Sojasauce, Sojasprossen, Muscheln, Garnelen, scharfe chinesische Wurst. Für Thandi ein No-Go. Sie schlägt sich den Bauch mit chinesischen Pancakes voll.
"Du solltest noch mehr von den Pancakes essen, Thandi. Du bist in Penang. Wir hier sind geboren, um zu essen", sagt Jessi. "Aufgrund unserer Geschichte und all den Zuwanderern aus China und Indien haben wir alle Kulturen und ihre Küche unter einem Dach. Wir bezeichnen es als malaysische Küche, aber ich weiß nicht, ob man es wirklich als authentische malaysische Küche bezeichnen kann. Wir sind einfach glücklich darüber, dass all die Menschen hier sind. Für chinesisches oder indisches Essen muss wir nicht extra nach China oder Indien fahren."
Kerstin: Doch wie Berlin so ist auch Georgetown eine Stadt im Wandel. Rund um die historische Altstadt, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, sind in den vergangenen Jahren unzählige Hochhäuser entstanden. Und die dazugehörigen Malls - klimatisierte Konsumtempel. Sie sind zwar ganz angenehm, um sich nach einem Rundgang durch die Altstadt zu erholen - aber gleichzeitig ein krasser Gegensatz zu den Garküchen auf den Straßen. Für mich sind die Garküchen authentischer, dort wird bei brütender Hitze am heißen Wok gekocht, genauso wie bei Starkregen.
Jörg: Jessi erzählt uns, dass die Menschen in Penang zwar Streetfood lieben, der Job eines Hawkers jedoch nicht mehr sehr beliebt ist. Sie befürchtet, dass sich die Foodszene in den kommenden Jahren ändern wird. Einfach weil die Kinder der Hawkers nicht mehr, wie es früher war, den Job ihrer Eltern übernehmen. Sie haben, so sagt Jessi, keine Lust mehr auf den anstrengenden und wenig lukrativen Job.
Darüber habe ich mit Lim Oon gesprochen. Er hat unsere gebratenen Nudeln gekocht. Lim ist 35 Jahre alt und hat mir erzählt, wie anstrengend der Job ist: "Am Anfang war es wirklich hart. Die Leute haben sich über unser Essen beschwert. Wir haben es als Erfahrung gesehen und hart dafür gearbeitet, gute und berühmte Hawker zu werden."
Lim kocht Char Kway Teow. Das sind gebratenen Nudeln, mit Schwein, Chilli, Garnelen und Soyasauce. Sein Leben als Hawker beschreibt er als herausfordernd: "Das Leben ist hart. Jetzt zum Beispiel regnet es stark. Da haben wir kaum Gäste. Viele bleiben in ihren Hotels oder gehen in Shopping-Malls. Die Menschen sind dann zu faul, um uns zu besuchen. Dann ist es kaum etwas los. Dazukommt, dass wir sehr früh aufstehen müssen, so gegen 4 Uhr, um unsere Zutaten vorzubereiten. Die Garnelen müssen ja geschält werden. Wenn du noch schläfst, sind wir schon lange auf und bereiten alles vor."
Er selbst muss nach so einem langen Arbeitstag natürlich auch noch essen, meint Lim: "Ich esse selbstgekochten Reis. Mit gedämpften Fisch oder mit Hühnchen oder Gemüse. Oder einfach nur Obst. Manchmal bin ich aber auch einfach nur durch und faul. Dann besuche ich Kollegen und esse bei ihnen. Mal malaysisch, mal chinesisch oder indisch."
Kerstin: Nach dem Besuch bei Koch Oon (Uhn) ziehen wir weiter. Das Beste ganz zum Schluss, meint Jessi. Assam Laksa. Darauf sind die Menschen in Penang besonders stolz. Assam Laksa ist eine würzig-scharfe Nudelsuppe, die typisch ist für die Küche Malaysias. Chinesische Einwanderer haben sie hierher gebracht und mit malaiischen Elementen versetzt. Ein prima Beispiel für die Fusionküche Penangs. Assam Laksa wird mit Brühe, Garnelenpaste, frischen Makrelen, Chilli, Ananas, Gurke, Minze aus Vietnam und Frühlingszwiebeln zubereitet.
"Seid vorsichtig und beißt nicht auf die Chilies", warnt Jessi. "Es ist auch nicht ganz einfach zu essen, weil die Reisnudeln rund sind und nicht flach…"
Kerstin: Und so war es auch. Es hat geschmeckt. Auch wenn ich den sanften Druck von Jessi und Jörg brauchte, um es zu probieren. Sieben Stunden sind wir mit Jessi durch Penang gezogen, haben in unzähligen, kleinen Garküchen Gerichte gekostet und können jetzt nachvollziehen, warum sich in Penang alles ums Essen dreht. Die Menschen hier sind stolz darauf, dass Georgetown mittlerweile zum Unesco-Weltkulturerbe gehört - aber noch stolzer sind sie auf ihre Küche.
Jörg: Und zu Recht. Die Vielfalt, die Intensität, die Liebe und Begeisterung, die hier in die Gerichte gesteckt wird. Einfach großartig! Thandi, unsere 5-jährige Tochter, hätte sich sicherlich schöneres vorstellen können, als stundenlang von Garküche zu Garküche zu ziehen. Sie war am Ende immer durch und froh in einen Pool springen zu können.