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Ein Jahr lang will Inforadio-Redakteur Jörg Poppendieck mit seiner Familie - Ehefrau Kerstin und Tochter Thandi - um die Welt reisen, um Erlebnisse zu sammeln. Im Weltsichten-Spezial "Alles hat drei Seiten" berichten die drei davon. Die erste Station der Reise ist eine Rückkehr an alte Wirkungsstätte: In Kapstadt haben Jörg und Kerstin vier Jahre lang gelebt und gearbeitet. Nun sind sie hierher zurück gekommen, um der fünfjährigen Thandi ihren Geburtsort zu zeigen.
Wir sind auf dem Weg nach Kapstadt. Das ist die erste Station unserer einjährigen Reise um die Welt. Und ein Heimspiel - zumindest für Kerstin und mich. Hier haben wir fast vier Jahre gelebt und als Korrespondenten gearbeitet. Unsere Tochter Thandi ist hier zur Welt gekommen. Kurz nach ihrer Geburt sind wir zurück nach Berlin gezogen. Deshalb wollen wir ihr ihren Geburtsort und unsere Freunde vorstellen.
Kapstadt, so wie wir es kennen, hat sich in den vergangenen Monaten merklich verändert. Das wird gleich deutlich, als wir am Flughafen ankommen: Auf der Toilette funktioniert von fünf Wasserhähnen - ein einziger. Überall hängen Schilder, auf denen die ankommenden Touristen über die Wasserkrise informiert werden.
Die Trinkwasser-Reservoirs sind wegen einer dreijährigen Dürre fast leer. Alle sind deshalb in Kapstadt angehalten, Wasser zu sparen: 50 Liter darf jeder pro Tag verbrauchen - für Waschen, Duschen, Zähneputzen und kochen. Zum Vergleich: Der Wasserverbrauch in Deutschland liegt bei 120 Litern am Tag.
In unserer Ferienwohnung deshalb dasselbe Spiel. Ein Plakat an der Badezimmertür informiert uns darüber, wie wir Wasser sparen können - zum Beispiel bei der Toilettenbenutzung: Gelbes wird gelassen, nur Braunes wird runter gespült.
Erschlagende Schönheit und bedrückende Armut
Anfang des Jahres gingen ja die Kapstädter noch davon aus, dass die Verwaltung am sogenannten "Day Zero" das Wasser für die 4-Millionen-Stadt ganz abstellen und Soldaten dann an offiziellen Sammelstellen Wasser verteilen würden. Dazu ist es dann aber nicht gekommen, eben weil die Kapstädter ihren Verbrauch enorm gedrosselt haben.
Kapstadt ist auf den ersten, flüchtigen Blick unglaublich schön. Die Schönheit erschlägt einen fast. Es gibt drei Berge, die die Stadt einrahmen, dazu das Meer. Alle 50 Meter hat man einen neuen, erhabenen Blick. Das ist der erste Eindruck. Man wird dann aber auch recht schnell mit der Armut konfrontiert. An jeder Straßenkreuzung warten Bettler. Wir haben uns mehr schlecht als recht daran gewöhnt. Für Thandi war all das allerdings neu.
Wir sind auf dem Weg nach Delft. Ein Stadtteil am Rande von Kapstadt. Mit dem Auto braucht man eine halbe Stunde von der Kapstädter Innenstadt. In Delft wohnen Freunde von uns: Bern und Ashley. Sie sind sogenannte "Colourds", Farbige. Ashley arbeitet als Schweißer und Bern kümmert sich um ihre Kinder. Wir haben die beiden 2010 bei einer Recherche während der Fußball-Weltmeisterschaft kennengelernt. Damals haben sie noch in einem Township gewohnt, in einer Hütte aus Wellblech. Mittlerweile leben sie in einem festen Haus aus Ziegelsteinen und Beton, das ihnen die Regierung zur Verfügung gestellt hat.
Ein Schlafzimmer für acht Personen
Wir fahren nicht nur wegen Bern und Ashley nach Delft, sondern auch um Thandi zu zeigen, dass Kapstadt mehr ist, als die schicke Innenstadt am Fuße des Tafelbergs und am Meer gelegen. Die meisten Bewohner Kapstadts sind unglaublich arm und wohnen in Gegenden, die kaum ein Tourist zu Gesicht bekommt.
Die Wohnungsnot in Südafrika gehört zu den schwersten und teuersten Bürden des Landes. Ein großer Teil der Bevölkerung wohnt auch viele Jahre nach dem Ende der Apartheid noch immer in erbärmlichen, stinkenden Slums am Rande der Städte - obwohl die Regierung in den vergangenen Jahren viele sehr einfache und günstige Häuser hat bauen lassen. Seit zwei Jahren wohnen auch Bern und Ashley in einem solchen Haus.
In den ersten zehn Minuten bei Bern und Ashley ist Thandi nicht von meiner Seite gewichen. Das waren dann doch ganz schön viele neue Eindrücke. Als sie die Kinder dann aber mit einem Ball gelockt haben, war es mit der Zurückhaltung vorbei. Wir haben uns derweil das neue Haus zeigen lassen. Unten gibt es ein sehr kleines, dunkles Wohnzimmer mit Kochecke und ein Bad. Oben in der zweiten Etage ein Schlafzimmer. In dem schlafen die beiden Erwachsenen, ihre 13-jährige Tochter und ihre fünf Pflegekinder.
Die Entscheidung, solche Häuser wie die von Bern und Ashley bauen zu lassen, wurde von Nelson Mandela und der ersten demokratisch gewählten Regierung getroffen. Das war 1994.
Ausflug nach Robben Island
Zuhause in Berlin, vor dem Beginn der Weltreise, haben wir mit Thandi viel über ihren Geburtsort und über Nelson Mandela gesprochen. Deshalb wollten wir ihr unbedingt Robben Island zeigen. Das ist die Gefängnisinsel auf der Nelson Mandela 18 seiner insgesamt 27 Jahre Haft verbracht hat. Man fährt dort mit einer Fähre hin.
Erst macht man eine Bustour über die Insel und dann wird man von einem ehemaligen Häftling durch das ehemalige Gefängnis für politische Gefangene geführt.
1964 kam Sipho ins Gefängnis nach Robben Island, weil er für den afrikanischen Nationalkongress Mitglieder geworben hat. Heute zeigt er uns die Zelle, in der er damals leben musste, zusammen mit mehr als 40 anderen Häftlingen.
Thandi ist von all dem relativ gelangweilt. Erst als sie selbst losziehen und ehemalige Zellen erkunden kann, taut sie auf.
Zurück in unserer Ferienwohnung in Kapstadt werten wir gemeinsam am nächsten Tag den Besuch auf der Gefängnisinsel Robben Island aus.
Kapstadt war ein Heimspiel - zumindest für Kerstin und mich, weil wir hier mehrere Jahre gewohnt haben. Wenn wir das nächste Mal aus dem Flugzeug steigen, sind wir in Malaysia. Ein Land, das noch keiner von uns je bereist hat. Dann beginnt das Abenteuer Weltreise so richtig.