Der Leopoldplatz in Berlin-Wedding (Bild: imago/Jürgen Ritter)
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IT-Experte Andreas aus Berlin-Wedding - "Beim Thema Digitalisierung werde ich zum Wutbürger"

Erst ein erbitterter Streit in der Regierung um die Asylpolitik, dann schildern nach dem Rücktritt eines Fußballers zahllose Menschen mit Migrationshintergrund, dass auch sie schon ausgegrenzt wurden. Wo bleibt eigentlich die demokratische Mitte? Darüber haben wir mit Menschen auf der Straße, in Parks und Geschäften gesprochen. So zum Beispiel auch mit Andreas. Der 42-Jährige wohnt im Wedding und arbeitet als IT-Experte.  

"Also, ich halte es für sehr bedenklich, dass momentan Dinge wieder gesagt werden können, wenn Herr Söder sich hinstellt und von Asyltourismus redet. Das hat vor zehn Jahren jemand aus der NPD gesagt und wurde von allen verachtet und heute steht ein Bayerischer Ministerpräsident da und erzählt so was. Und das einzig und allein aus der Angst, noch mehr Stimmen an die AfD-Nazis zu verlieren.

Und das Problem ist halt einfach, ich glaub, für die meisten Leute ist das gar nicht so wichtig, für die meisten Leute wäre ein Kindergartenplatz wichtig, sind die steigenden Mieten ein Problem, ist ein Problem, dass man zehn Wochen auf einen Personalausweis warten muss und, dass man zwei Jobs braucht heutzutage, um irgendwie über die Runden zu kommen und nicht groß die Möglichkeit hat, noch auf ein Haus zu sparen.

Wo ich wirklich zum Wutbürger werde, ist allerdings, dass Deutschland die Digitalisierung komplett zu einhundert Prozent verpennt hat. Selbst auf einem einsamen Berg in Norwegen habe ich besseres Internet mit meinem Handy als in Berlin-City mit einem Kabelanschluss. Und das ist traurig. Aber weiter thematisiert wird das nicht. Dafür steht jeden Tag irgendwas wie 'Flüchtlingsschwemme' und was weiß ich in den Zeitungen. Aber das sind nun mal die Probleme, die wir wirklich haben, durch die Flüchtlinge ist es keinem in unserem Land schlechter gegangen.

Diese links-liberale Mitte, die geht verloren. Das wird immer mehr extrem. Und das liegt vor allem daran, dass die Leute sich in ihren eigenen Gruppen hochschaukeln. Und dann aufeinander einpreschen. Und wie man dem entgegenwirken kann, weiß ich nicht. Das sollte eigentlich die Aufgabe der Politik sein. Aber die mischt kräftig mit. Gerade jetzt die CSU und ihr Panik-Wahlkampf…ist wirklich…ein anderes Wort als widerlich fällt mir da nicht ein.

Und auch der Journalismus ist in einer tiefen Krise in meinen Augen. Und ich glaube, das ist ein Problem. Früher waren Journalisten und Politiker waren gewissermaßen Welterklärer. Heute sitzen die Leute zu Hause und tippern mit 30 Facebook-Freunden und erklären sich die Welt selber und da kommt halt manchmal Scheiße bei raus."

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