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Dass im Berufsalltag nicht alles gerecht zugeht, wird vor allem Berufseinsteigern und –einsteigerinnen immer wieder schmerzlich bewusst. Lisa Splanemann aus der Inforadio-Wirtschaftsredaktion hat über dieses Phänomen mit Eva Queißer-Drost gesprochen, die als Business Coach auch Berufseinsteiger berät.
Ein großes Problem sei, dass Strukturen nicht aufeinander abgestimmt sind, erklärt Queißer-Drost. "Was ich bei jungen Menschen beobachte: Sie sind oft sehr alleine gelassen mit komplexen Aufgaben", sagt die Beraterin. Ein Mittel dagegen sei etwa ein Mentoringprogramm, bei dem ein erfahrener Mitarbeiter eine junge Person begleitet und sie in ein Unternehmen und die Strukturen einführt.
Es sei aber auch gut und wichtig, sich selbst zu reflektieren, so Queißer-Drost: "Sich zu beobachten: Was tue ich eigentlich den ganzen Tag über? Habe ich vielleicht noch nicht die richtige Methode gefunden, meine Aufgaben vielleicht effizienter oder besser erledigen zu können?" Das sei der erste Schritt.
Danach sollte man möglichst mit Kollegen sprechen. So könne man herausfinden, wie andere mit mehr Erfahrung die Aufgaben erledigen. "Fragen und hinterfragen - das wäre absolut mein Rat an junge Menschen im Berufseinstieg", sagt die Wirtschaftstrainerin.
Dabei sei der Fachkräftemangel oft ein Vorteil für junge Leute. "In vielen Unternehmen werden sie gefördert, es gibt Mentoringprogramme, viele Unternehmen engagieren Coaches wie mich", so Queißer-Drost. So bekämen Berufseinsteiger Unterstützung, aber etwa auch Mitarbeiter, die gerade erst in eine Führungsposition aufgestiegen seien.
"Ohne Abgrenzung droht der Burnout"
Ganz zentral im Arbeitsalltag sei die Frage, wo man Grenzen ziehe, erklärt die Beraterin. "Ein ganz großes Thema im Business-Coaching ist die Frage der eigenen Rolle: Was ist meine Rolle im Unternehmen, in der Organisation?" Gerade bei jungen Startup-Unternehmen überlagere sich oft die Rolle des Arbeitnehmers mit der Privatperson. "Aus meiner Erfahrung ist eine Abgrenzung sehr wichtig", so Queißer-Drost. "Und wenn die Abgrenzung nicht erfolgt hat man gute Chancen auf einen Burnout."
In ihren Coachings gehe es oft um Perspektivwechsel und den systemischen Blick auf ein Unternehmen: "Wo stehe ich eigentlich? Was wird von mir erwartet und was darf ich auch von anderen erwarten?"
So könne man als Mitarbeiter durchaus auch Wertschätzung einfordern, betont die Wirtschaftstrainerin. "Man kann auf eine sehr charmante und dezente Art und Weise auf die Dinge hinweisen, die man selbst geleistet hat", sagt sie. "Die Frage ist, wie man in der individuellen Situation Beispiele findet, die man an den entsprechenden Stellen - in Meetings, in Teamsitzungen - platzieren kann." Das sollten auch Berufseinsteiger unbedingt tun.
Zu wenig Kommunikation
Queißer-Drost warnt jedoch vor Selbstüberschätzung. Eine Gefahr sei, dass sich junge Menschen zwar in Ausbildung und Studium ein gutes Fachwissen angeeignet hätten, die Strukturen in Unternehmen aber noch gar nicht kennen.
Wenn man wie sie als Coach von außen in ein Unternehmen komme, sehe man automatisch oft viele Dinge, erklärt sie. "Und wer eine gute Wahrnehmung hat von den jungen Menschen - die sehen auch sehr viele Dinge. Die Frage ist nur: Wann sage ich was? Und wem sage ich was?"
An dieser Stelle seien junge Leute oft sehr schnell und impulsiv. "Da würde ich mir wünschen, dass man auch eher intern das Gespräch mit den jungen Menschen sucht, dass solche Themen gemeinsam erarbeitet und besprochen werden." Denn oft gebe es überhaupt keine Kommunikation mit jungen Mitarbeitern, weil diese auch keine Kommunikation einforderten und viele Dinge einfach hinnähmen.
"Häufig führt ein Konflikt im Arbeitsverhältnis oder am Arbeitsplatz eher dazu, dass das Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis aufgelöst wird", hat Queißer-Drost beobachtet. "Man macht sich nicht die Mühe oder sieht keine Möglichkeiten, gemeinsam ins Gespräch zu kommen."
Viel komplexere Arbeitswelt als vor 15 Jahren
Auf der anderen Seite sollten Berufseinsteiger versuchen herauszufinden, was dem Unternehmen wirklich wichtig ist und wo es sich lohnt, erfolgreich zu sein und Energie hineinzustecken. "Es kann sein, dass Sie es für wichtig erachten, superexakte Excel-Tabellen abzugeben - und vielleicht spielt das im jeweiligen Unternehmen gar nicht so eine große Rolle", nennt die Beraterin als Beispiel.
Queißer-Drost betont, dass jede berufliche Situation aus ihrer Sicht heute viel komplexer ist als noch vor 15 Jahren. "Wir haben ein viel vertrackteres Netzwerk von Beziehungen in Unternehmen. Wir haben neue Technologien. Wir haben viel mehr Kommunikationswege." Und da müssten junge Menschen ihren Weg durch finden, oft übernähmen sie auch sehr früh große Verantwortung. "Ihnen wird viel mehr zugemutet, aber auch zugetraut. Und ich halte das für eine positive Entwicklung", so die Wirtschaftstrainerin.