Terrorverdächtiger festgenommen - Anschlag auf Berliner Flughafen verhindert

Deutschland ist offenbar nur knapp einem Terroranschlag von der Dimension der verheerenden Attentate von Paris und Brüssel entgangen. Verfassungsschutzpräsident Maaßen bestätigte inzwischen, dass der gefasste Syrer einen Anschlag auf einen Flughafen in Berlin verüben wollte. Hier finden Sie Interviews, Beiträge und Hintergrundinformationen zum Thema.

Seit Anfang September sei man entsprechenden Hinweisen nachgegangen. Erst am vergangenen Donnerstag habe der Verfassungsschutz den 22-Jährigen dann identifizieren können. Danach sei er durchgehend observiert worden. Bei dem Festnahmeversuch am Sonnabend in Chemnitz konnte der Syrer fliehen. Er wurde gestern in Leipzig gefasst.

Verbindungen zum IS

Der nach dem Bombenfund von Chemnitz festgenommene Terrorverdächtige steht nach ersten Ermittlungen in Verbindung zur Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Die sichergestellten 1,5 Kilogramm Sprengstoff sind identisch mit der Art, die IS-Terroristen in Frankreich und Belgien verwendet haben.

Er habe möglicherweise an einer Sprengstoffweste gearbeitet. Er habe sich im Internet über die Herstellung von Sprengstoff informiert und sich entsprechende Materialien beschafft.

Landsleute rufen Polizei

Landsleute hatten den flüchtigen Syrer in Leipzig in einer Wohnung festgesetzt und die Polizei gerufen. Er war am Sonnabend bei einem Zugriff in Chemnitz entkommmen. Der Mann ist seit 2015 als Flüchtling in Deutschland.

Bundeskanzlerin Merkel hat den Syrern gedankt, die den entscheidenden Hinweis zur Ergreifung des terrorverdächtigen Landmannes gegeben haben. Die stellvertretende Regierungssprecherin Demmer sagte, die Männer hätten maßgeblich zur Festnahme des Mannes in Leipzig beigetragen.

Fragen & Antworten: Bahnhöfe und Flughäfen sind Zielscheiben des Terrors

  • Was macht öffentliche Verkehrseinrichtungen eigentlich zu bevorzugten Terrorzielen?

  • Gab es nach dem Anschlag islamistischer Selbstmordattentäter auf den Brüsseler Flughafen dort Änderungen im Bereich der Sicherheit?

  • Wie sind die deutschen Flughäfen und Bahnhöfe geschützt?

  • Wie sieht es im internationalen Vergleich aus?

  • Wie könnten die Sicherheitsvorkehrungen hierzulande verbessert werden?

  • Was gibt es für Bedenken?

Sachstand

  • Hauptverdächtiger ist der Syrer Al-Bakr, der 1994 südlich von Damaskus geboren ist. Laut Bundesanwaltschaft hat er einen "islamistisch motivierten" Anschlag "geplant und bereits konkret vorbereitet". Die Ermittler gehen davon aus, dass er Kontakte zur Terrororganisation Islamischer Staat (IS) hatte. Verhalten und Vorgehensweise des 22-Jährigen sprächen dafür. Demnach hat Al-Bakr im Internet zur Herstellung von Sprengsätzen recherchiert und die Grundstoffe dafür beschafft.  

    Die Bundesanwaltschaft hat "wegen der besonderen Bedeutung des Falles" die Ermittlungen übernommen. Den Ausschlag gab die Art und Menge des in einer Chemnitzer Wohnung gefundenen Sprengstoffs. Nach ihren Angaben agierte der Beschuldigte überaus professionell, Erkenntnisse über ein konkretes Ziel für den von Al-Bakr geplanten Sprengstoffanschlag liegen derzeit nicht vor.

    In der Chemnitzer Wohnung, in der sich der 22-Jährige zuletzt aufhielt, wurden laut Bundesanwaltschaft "rund 1,5 Kilogramm extrem gefährlicher Sprengstoff" gefunden. Dabei handelt es sich laut LKA um TAPT, das auch bei den Terroranschlägen in Brüssel und Paris benutzt wurde. Das laut den Spezialisten "äußerst sensible, hochexplosive und instabile" Material wurde in einem ausgehobenen Erdloch kontrolliert vernichtet, die Detonation war noch in deutlicher Entfernung spürbar.

    Hinweise auf Al-Bakr kamen vom Bundesnachrichtendienst und vom Bundesamt für Verfassungsschutz. Der Hinweis auf die später vom SEK gestürmte Wohnung kam am Freitag vom Verfassungsschutz, der ihn seit Mitte September beobachtete. In den vergangenen Tagen verdichteten sich die Hinweise, dass sich der Mann in der Wohnung aufhält. Es bestand der Verdacht, dass möglicherweise ein Sprengstoffgürtel kurz vor der Fertigstellung oder gar einsatzbereit ist. 

    Al-Bakr kam am 19. Februar 2015 nach Deutschland, wurde in München registriert und in die Erstaufnahme nach Chemnitz weitergeleitet. Im Oktober 2015 erhielt er eine befristete Anerkennung für drei Jahre. Ab 10. März 2016 war er in Eilenburg nordöstlich von Leipzig gemeldet und bisher nicht auffällig. 

    Die Festnahme des 22-Jährigen am Samstag scheiterte. Der erste Zugriff des SEK in dem nicht geräumten Plattenbau im Chemnitzer Fritz-Heckert-Viertel wurde abgebrochen. Es war nicht klar, in welcher Wohnung er sich aufhält. Später war das SEK nicht nah genug dran, um Al-Bakr zweifelsfrei zu identifizieren. Ein Mann verließ das Haus noch während der Umstellung des SEK auf Evakuierung und flüchtete trotz Warnschuss. Ein gezielter Schuss war laut LKA zu riskant, da Unbeteiligte sich in der Nähe befanden. 

    Al-Bakr wurde erst in der Nacht zum Montag im Leipziger Plattenbauviertel Paunsdorf gefasst. Drei Landsmänner haben ihn in ihrer Wohnung überwältigt und die Polizei informiert. Die holte ihn gefesselt ab. Nach dpa-Informationen hatte Al-Bakr einen Syrer am Hauptbahnhof angesprochen und gefragt, ob er bei ihm schlafen könne.  

    Der Mieter der erstürmten Chemnitzer Wohnung befindet sich in Untersuchungshaft. Die Ermittler halten Khalil A. nach derzeitigem Stand für einen Mittäter. Er war am Chemnitzer Hauptbahnhof festgenommen worden. Gegen ihn wurde Haftbefehl wegen Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat erlassen. Er soll Al-Bakr seine Wohnung überlassen, von dessen Anschlagsplänen gewusst und Substanzen im Internet bestellt haben. 

    Khalil A. kam am 25. November 2015 nach Deutschland, beantragte in Bad Berleburg (Nordrhein-Westfalen) Asyl und lebte seit Juli 2016 in Chemnitz. In seiner Wohnung wurden neben dem Sprengstoff weitere Materialien zur Herstellung einer Sprengstoffweste gefunden und sichergestellt. 

  • Handelte Al-Bakr aus eigenem Antrieb oder wurde er aus dem Ausland gesteuert? Ein im September in Köln festgenommener 16-jähriger Syrer hatte nach Ermittler-Angaben von einem Chatpartner im Ausland Anweisungen zum Bombenbau erhalten. 

    Unklar ist, ob Al-Bakr zum Zeitpunkt des Anti-Terror-Einsatzes überhaupt in dem Haus im Chemnitzer Fritz-Heckert-Viertel war. Die Ermittler wissen auch nicht, wer der Mann war, der nach dem Warnschuss weggerannt ist. 

    Noch unbekannt ist, wie genau sich der Verdächtige und die drei Syrer, die ihn überwältigten, getroffen haben.

    Unklar ist auch noch, ob er allein handelte oder Mittäter hatte. 

    Offen ist, wo sich der Terrorverdächtige seit Freitag aufgehalten hat und ob er bewaffnet war. Sprengstoff hatte er bei der Festnahme nicht bei sich. 

    Die Echtheit der vorliegenden Ausweisdokumente wird beim Haftrichter erneut geprüft. 

Islamistischer Terrorismus in Deutschland 2016