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Trotz offizieller Trennung von Kirche und Staat: Ohne Religion geht auch im US-Wahlkampf nicht viel. In diesem Jahr stellt die Kandidatenkonstellation die gläubigen Christen in den USA vor ein ganz spezielles Dilemma: Auf der einen Seite Donald Trump, der sich höchst unchristlich über Frauen äußert, auf der anderen Seite die gläubige Hillary Clinton, die jedoch inhaltlich in vielen Fragen nicht mit der Kirche übereinstimmt (Beispiel Schwangerschaftsabbruch).
Religion und Politik sind in den USA strikt voneinander getrennt. So wollten es die Gründerväter der Vereinigten Staaten. Und doch: "In God we trust" steht auf den Dollarnoten, von "einer Nation unter Gott" ist im Fahneneid die Rede.
Auch wenn die Rolle der Religion wie in allen westlichen Demokratien in den USA geringer wird: Ohne das Wohlwollen der Kirchen und ihre Mitglieder sind Wahlen kaum zu gewinnen. Das wissen Donald Trump und Hillary Clinton. Trump versicherte im Wahlkampf, er sei Presbyterianer. Viele Christen glaubten das nicht. Denn Trump hatte Bibelverse zitiert, die es nicht gibt. Auch Dr. James Dobson, evangelikaler Autor und Gründer einer konservativen Familienstiftung hat Zweifel. Er geht davon aus, dass Trump erst vor kurzem zum bekennenden Christen geworden ist. Dobson schrieb: "Wenn überhaupt dann ist dieser Mann ein Baby-Christ, der keine Ahnung davon hat, wie gläubige Menschen denken, sprechen und handeln."
Clinton: Jeden Morgen eine Bibelstelle
Anders Hillary Clinton. Die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten ist schon ihr ganzes Leben lang Kirchenmitglied. Die Religion ist selbst in turbulenten Wahlkampfzeiten fester Bestandteil ihres Alltags: "Ich bekomme jeden Morgen eine Bibelstelle von einem Pfarrer, mit dem ich eine sehr enge Verbindung habe. Das bringt mich auf den Boden der Tatsachen."
Konservative Kirchen mischten sich in den vergangenen Jahrzehnten mit ihren Programmen gegen Abtreibung und Homo-Ehe mehr in die Politik ein als gemäßigte und progressive Glaubensgemeinschaften. Sie halfen der rechten Tea Party und unterstützten Donald Trump. Als sexistische Kommentare des Kandidaten aus dem Jahr 2005 und Vorwürfe von Frauen, die angaben, von Trump bedrängt worden zu sein öffentlich wurden, wandten sich viele strenggläubige Christen ab.
Strenggläubige Christen stecken in einem Dilemma
An der Liberty University in Virginia kam es zum offenen Konflikt zwischen einigen Studenten und dem Präsidenten der einflussreichen christlichen Hochschule. Die Lehren von Jesus Christus stehen im Zentrum unseres Lebens, argumentierte Student Dustin Wahl: "Donald Trump wendet sich aktiv gegen diese Lehren, besonders mit seinen Kommentaren zu sexuellen Übergriffen."
Universitätspräsident Jerry Falwell will trotzdem Trump wählen. Der sei am besten qualifiziert, um Präsident der Vereinigten Staaten zu werden.
Ein Dilemma für strenggläubige Christen: Hier Trump, der wenig mit Glaubensdingen zu tun hat und dessen moralische Werte vielen zweifelhaft erscheinen. Dort Clinton, die für die Homo-Ehe und beim Thema Schwangerschaftsabbruch für die Selbstbestimmung von Frauen eintritt.
Die Angst der Christen vor liberalen Richtern
Zu den größten Ängsten der rechten Christen gehört, dass Clinton liberale Richter für das Oberste Gericht benennen könnte, die auf Lebenszeit gewählt werden und einen progressiven Kurs einschlagen.
Einer der Berater Clintons in Glaubensdingen ist Burns Strider, Chef der Washingtoner Eleyson Group. Er glaubt: Es könnte sein, dass die rechte, evangelikale Stimme der amerikanischen Kirchen nach der Wahl etwas leiser werden wird. "Früher, in den 60er Jahren, gab es die liberale Kirche und das 'United Council of Churches'. Sie waren an der Bürgerrechtsbewegung beteiligt. Jetzt haben wir es seit mehreren Jahrzehnten mit der konservativen Kirche zu tun. Sie haben ein starkes Mantra, eine strenge Orthodoxie. Und die bringen sie in die öffentliche Diskussion."
Die Macht der Kirche nimmt ab
Scheitert Trump, könnte die weltoffene, progressive Kirche eine gute Zukunft haben, hofft Strider.
4 von 5 Bürgern bezeichnen sich als Christen. Während nicht-christliche Religionen immer noch eine geringe Rolle spielen, erklären sich mehr als 20% besonders der jungen Amerikaner in einer Umfrage der Meinungsforscher von Pew Research als konfessionslos bis nicht religiös. Ein Spitzenwert, der zeigt, dass die Macht der Kirche und damit ihr Einfluss auf Wahlen geringer wird. Noch gilt in der "einen Nation unter Gott": Ohne Religion sind Wahlen kaum zu gewinnen. Aber deren Rolle in Politik und Gesellschaft schrumpft.