- US-Medien zwischen Objektivität und Parteinahme

Selten gab es in den USA einen Präsidentschaftswahlkampf, in dem die Medien nicht nur die Rolle des Berichterstatters spielten. Der frühere Reality-TV-Star Donald Trump wäre ohne die Hilfe der Medien vermutlich gar nicht erst Präsidentschaftskandidat der Republikaner geworden. Nach viel Selbstkritik befassten sich viele Medien in den vergangenen Monaten umso kritischer mit Donald Trump. Was dessen Anhänger eher in ihrer Abneigung gegenüber den Mainstream-Medien bestärkt, wie Martin Ganslmeier berichtet.

Spätestens seit der Sender NBC kurz vor der zweiten TV-Debatte das Skandalvideo von Donald Trump aus dem Jahr 2005 veröffentlichte, sind Trump und seine Anhänger überzeugt: Die Medien versuchen mit aller Macht Trumps Einzug ins Weiße Haus zu verhindern. Die Moderatoren des zweiten TV-Duells hätten sich auf Trumps frauenfeindliche Äußerungen von vor elf Jahren gestürzt, beklagte Trumps Sprecher Jack Kingston. Dagegen seien die für Clinton schädlichen Wikileaks-Veröffentlichungen kaum angesprochen worden: "57 Sekunden ging es um Wikileaks. 23 Minuten dagegen über die Vorwürfe sexueller Belästigung. Das ist so typisch!"

Medienschelte gehört zum festen Repertoire von Trumps Wahlkampf. Zumindest im Vorwahlkampf der Republikaner konnte er mit seinen Vorwürfen gegenüber der "lügenden Presse" und den linksliberalen "Mainstream-Medien" punkten. Zumal ihm damals nur wenige Medien Kontra gaben. Vor allem die Fernsehsender sahen in Trump einen kuriosen Unterhaltungsfaktor, weil er den Vorwahlkampf der Republikaner aufmischte und für sehr gute Einschaltquoten sorgte. Fast täglich konnte Trump seine Überzeugungen ungefiltert und ausführlich von sich geben. Erst nachdem Trump der offizielle Präsidentschaftskandidat der Republikaner wurde, so Ben Domenech, Herausgeber des konservativen Magazins "Federalist", erst dann berichteten die Fernsehsender deutlich kritischer: "Sie haben endlich gemerkt, dass man ihm nicht einfach Sendezeit geben darf. Diesen Fehler haben viele Fernsehsender im Vorwahlkampf gemacht."

Fact-Checker schaden Trump nicht

Die großen Sender CBS, NBC und ABC, aber auch die Nachrichtensender CNN und FoxNews hinterfragen seitdem Trumps Behauptungen deutlich kritischer. Regelmäßig werden sogenannte "Fact-Checker" eingesetzt, die sowohl Trumps als auch Clintons Reden und ihre Aussagen in den TV-Duellen auf falsche Behauptungen hin überprüfen. Das Magazin "Politico" zog Bilanz und kam zum Ergebnis: Bei Trump erwiesen sich nach Überprüfung der Fakten etwa 60 Prozent seiner Aussagen als falsch; bei Clinton waren es knapp 15 Prozent. Trump und seine Anhänger fühlen sich durch solche Analysen in ihrer Verachtung für die etablierten Medien nur bestätigt. Die "Mainstream-Medien" ergriffen ja ohnehin ständig Partei für Clinton. Jim Rutenberg von der "New York Times" will dies so nicht stehen lassen: "Wir gehen Clinton genau so kritisch an. Aber Trump stellt einfach mehr Behauptungen in den Raum, die überprüft werden müssen. Das ist der Unterschied."

Doch obwohl die US-Medien noch nie so viele Fakten-Checker einsetzten wie in diesem Wahlkampf, schadete es Trump selten, wenn seine Behauptungen als Falschaussagen entlarvt wurden. Auch dass sich unter den 50 führenden Zeitungen Amerikas bisher keine einzige für Trump aussprach, hatte kaum Auswirkungen auf seine Umfrage-Werte. Trump ist überzeugt davon, dass er die Wahl ohne, ja sogar gegen die etablierten Medien gewinnen kann. Trump setzt auf Twitter, um seine Ansichten direkt unter das Volk zu bringen. Zwölfeinhalb Millionen Follower hat Trump, drei Millionen mehr als Clinton. Und die etablierten Medien merken, dass es für sie trotz aller Faktenchecks immer schwieriger wird, gegen Tweets, Verschwörungstheorien im Netz und die Aussagen angeblicher Experten in den sozialen Medien durchzudringen. So sind auch die Medien in diesem Wahlkampf erstmals Partei: Auf der einen Seite das Medien-Establishment, das überwiegend Clinton unterstützt; auf der anderen Seite der Außenseiter Trump, der auf die sozialen Medien setzt, um die Bürger gegen das Establishment zu mobilisieren.

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EPA

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