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Ungefähr 20.000 US-Bürger leben in Berlin, viele von ihnen sind nach wie vor als Wähler in ihrer Heimat registriert. Wer im Wählerverzeichnis steht, darf von überall aus seine Stimme abgeben - auch aus Deutschland. Viele Berliner "Amis" haben also nicht nur im Wahlkampf mitgelitten, sondern auch über ihr künftiges Staatsoberhaupt mitentschieden. Das allerdings teilweise unter Qualen, wie Inforadio-Reporterin Sylvia Tiegs herausgefunden hat.
Republikanische US-Wähler in Berlin zu finden, ist nicht einfach - sie sind hier kaum politisch organisiert. Im Gegensatz zu den US-Demokraten, von denen gibt es ganz viele hier. Lustigerweise gibt mir dann einer von ihnen den Tipp: ruf' Paul Kiefer an. Volltreffer! Kiefer ist 76, Steueranwalt kurz vor dem Ruhestand. Und ohne Wenn und Aber für Donald Trump.
Es gibt ja auch noch die Libertarians
Trump habe genau die richtige Persönlichkeit, Amerikas Probleme anzupacken - und das richtige Programm: Steuern senken, illegale Einwanderung stoppen, das Establishment zurückdrängen. Wir treffen uns zum Interview im "Hotel Sylter Hof", hier in der Nähe hat Paul Kiefer sein Büro. Berlin kennt er seit der Militärzeit in den 1980ern, mit Deutschland verbinden ihn auch seine bayerischen Vorfahren - und seine Berliner Ehefrau. Ihr zuliebe leben sie seit 2001 wieder in der deutschen Hauptstadt.
Ned Wiley verdreht da die Augen. Zur Begrüßung in seinem Lieblingscafé Atopia in Prenzlauer Berg legt er zwei Visitenkarten auf den Tisch. Die eine weist ihn als Vize-Chef der US-Republikaner im Ausland aus - die andere als Auslands-Vorsitzenden der Libertarian Partei. Und die ist aktuell. Mit den Republikanern ist Ned Wiley nämlich fertig. Wegen Trump. Das heißt aber nicht, dass der 64jährige Unternehmensberater nun automatisch für Hillary Clinton ist. Die mag er auch nicht - unter anderem wegen ihrer E-Mail-Affäre. Ned Wiley - seit 15 Jahren in Berlin – hat sich aus der Ferne für die Libertarians entschieden: Liberal in der Weltanschauung, konservativ in der Haushaltspolitik. Der gebürtige Chicagoer hofft, dass sich endlich mal eine dritte politische Kraft in den USA etablieren kann.
Clintons Ex-Kommilitonin erinnert sich
Da kann er lange warten, brummelt Jane Helmchen etwas ungehalten zu Hause in Berlin-Dahlem. Die zierliche 76jährige hat schon vor drei Wochen ihre Stimme abgegeben - für Hillary Clinton, abgeschickt per E-Mail in ihren Heimatstaat Massachussetts. Jane Helmchen wagt keine Prognose mehr. Die frühere Lehrerin und Übersetzerin hat zu Hillary Clinton eine besondere Beziehung: sie haben beide am Frauen-College Wellesley studiert. Als Clinton 2003 in Berlin ihr Buch "Living History" signierte, ging Jane Helmchen hin. Stolz zeigt sie das Foto von damals. Hauptgrund für Jane Helmchen, Hillary zu wählen, ist aber die feste Überzeugung: Clinton kann Präsidentin. Trump nicht.
"Erst mal abwarten, wie die AfD abschneidet"
Auch James Griffin ist im Moment ganz froh, in Berlin zu leben - weit weg von seiner Heimat Florida. Auch heute Nacht will sich der 45jährige Politologe daheim in Prenzlauer Berg lieber die Decke über den Kopf ziehen und schlafen. In der Hoffnung, morgen früh den Sieg Hillary Clintons zu erleben. James Griffin arbeitet schon seit vielen Jahren für die Checkpoint-Charlie-Stiftung in Berlin. Er sieht die Wahl auch aus der transatlantischen Perspektive. Aber auch den USA selbst würde Trump sehr schaden, fürchtet James Griffin. Deshalb hat er - schon vor über 3 Wochen - für Hillary Clinton gestimmt. Donald Trump nennt er einen "furchtbaren Menschen". Sollte der allerdings gewinnen, hat sich Griffin schon eine Antwort für seine deutschen Freunde zurechtgelegt: "Dann könnte ich vielleicht sagen, ok, warten Sie mal ein Jahr ab, wie dann die AfD bei der Bundestagswahl abschneidet. Dann werden Sie vielleicht ein bisschen Mitleid haben.