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Das Berliner Fraunhofer-Institut macht "alte" Produktionsanlagen fit für die Industrie 4.0. "Retronet" heißt das Projekt. Nicht jede Firma muss gleich neue teure Maschinen anschaffen, sondern vorhandene können wunderbar mit neuer Technik aufgerüstet werden. Karsten Zummack hat den Wissenschaftlern bei ihrer Arbeit über die Schulter geschaut.
Ganz herkömmlich werden an einer grünen Maschine Eisenteile gefräst. Späne fliegen durch die Luft. Auf den ersten Blick ist hier keine Spur von Industrie 4.0. Die riesige, runde und lichtdurchflutete Halle in Berlin-Charlottenburg ist vollgestopft mit solch alten Maschinen, teilweise aus dem vergangenen Jahrhundert. Doch die werden hier auf dem sogenannten Versuchsfeld fit gemacht für die Zukunft, erklärt der Stellvertretende Abteilungsleiter Moritz Chemnitz: "Wir möchten den ganzen Altbestand an Maschinen unterstützen, so dass man nicht für 50.000 bis 200.000 Euro eine neue Drehmaschine kaufen muss." Die Maschinen, die schon angeschafft wurden und sonst noch voll funktionstüchtig sind, sollen so aufgerüstet werden, dass man sie mit den neuesten Auswerte- und Analysetools bedienen und damit die Produktivität erhöhen kann.
Maschinen, die miteinander "reden" unterstützen den Mensch
Mit zusätzlichen Sensoren werden beispielsweise Drehzahl, Drehmoment, Spanndruck gemessen und per Software erfasst. Das spart Geld und hilft, die Maschine besser auszulasten. "Retronet" heißt dieses Projekt, das vom Bundesforschungsministerium gefördert wird. Noch ist es in der Probephase - bei kleinen Firmen, einem mittelständischen Autozulieferer und einem Konzern.
Am IPK werden nicht nur alte Maschinen aufgerüstet. Mehr als 20 Mitarbeiter befassen sich regelmäßig mit Industrie 4.0, sagt Institutssprecher Steffen Pospischil. Dabei geht es auch um die Kommunikation zwischen Bauteilen und der Maschine. "Sie werden intelligent gemacht, über Sensoren, über Rechnersysteme, über eigene Energieversorgung. So ein Bauteil bekommt dann eine kleine Recheneinheit mit und sagt: Hier, ich möchte bearbeitet werden. Ich soll später mal eine Kurbelwelle werden. Wer kann mich drehen? Wer kann mich schleifen, wer kann mich bohren? Und so können die Maschinen antworten und sagen: Ich habe Zeit, komm zu mir. Ich kann das schnell und günstig machen."
Vom Dreher bis zum Manager - jeder könnte profitieren
Das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik beschäftigt sich bereits seit Ende der 70er Jahre mit solchen Fragen. Damals war von Internet und Smartphones noch keine Spur. Die neuen Möglichkeiten sorgen auch hier für einen Schub. Inzwischen geht es in 15 Projekten um Industrie 4.0.
Nicole Oertwig beispielsweise hat eine neue Software für Produktionsbetriebe mitentwickelt. Auf ihrem Laptop rangiert sie mit gelben, grünen, roten Rechtecken, die einzelne Arbeitsschritte symbolisieren. "Im Prinzip bietet das die Möglichkeit, für jede einzelne Rolle im Unternehmen individuell die Informationen so darzustellen, wie sie es tatsächlich auch brauchen und sehen müssen. Zum Beispiel, wenn wir uns den Werker an der Maschine anschauen – der ist daran interessiert, seine Maschinenparameter zu sehen. Stimmt die Drehzahl? Ist die Temperatur richtig? Ist da mit meiner Maschine alles in Ordnung? Währenddessen natürlich die Produktionsplanung und –steuerung eher sehen möchte: Bin ich mit meinen Aufträgen im Zeitplan? Schaffe ich meinen Liefertermin?"
Vom Manager bis zum Dreher kann jeder individuell die Produktionsprozesse nachvollziehen. Zusätzlich hilft die Software dabei, je nach Kundenwunsch problemlos veränderte Produkte herzustellen. Die völlige Vernetzung macht es möglich.