
Überforderte Städte - Kein Platz für Flüchtlinge? - Flüchtlinge als Geschäftsmodell
In Berlin hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales schwer damit zu kämpfen, Unterkünfte für immer mehr Flüchtlinge zu eröffnen. Das Land arbeitet dabei nicht mehr nur mit karitativen Trägern wie der Diakonie oder der Arbeiterwohlfahrt zusammen: Etwa die Hälfte der Berliner Flüchtlingsheime wird mittlerweile von Privat-Unternehmen betrieben - und die haben in der Vergangenheit immer wieder für Kritik gesorgt.
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Die Firma Gierso Boardinghaus ist einer der größten Player im Berliner "Flüchtlings-Business", spezialisiert auf große Einrichtungen mit rund 200 Bewohnern. Ein einträgliches Geschäft, denn das Land zahlt pro Flüchtling. Sechs Heime betreibt die Gierso in Berlin. Marina Naprushkina von der Flüchtlingsinitiative "Neue Nachbarschaft" steht mit der Firma auf Kriegsfuß. Sie hat Anzeige gegen die Gierso erstattet: "Das ist eine Firma, die auf Profit orientiert ist, und das darf bei der Flüchtlingsarbeit nicht passieren. Das ist kein Geschäftsmodell."
Der Vorwurf der 34-Jährigen: Die Gierso habe vom Land Berlin Geld für Leistungen erhalten, die sie zum Teil nicht erbracht habe, unter anderem sei zu viel Personal abgerechnet worden. Das Land wiederum habe die Gierso nicht ausreichend kontrolliert. Die Anzeige richtet sich somit auch gegen den Präsidenten des LAGESO, des Landesamts für Gesundheit und Soziales, Franz Allert. Er sorgte für reichlich Schlagzeilen, als herauskam, dass er der Patenonkel des Gierso-Geschäftsführers Tobias Dohmen ist.
"Neue Nachbarschaft" kümmert sich um Flüchtlinge
Marina Naprushkina und die Ehrenamtlichen der "Neuen Nachbarschaft" kümmern sich um die Bewohner aus dem Gierso-Heim in der Levetzowstraße in Berlin-Moabit. Drei Mal pro Woche treffen sie sich im Cafe "Neue Heimat", zum Deutsch-Stammtisch. 30 Flüchtlinge sind heute gekommen, einer von ihnen Jafar aus Afghanistan. Er hat eine schwangere Frau und ein kleines Kind.
Um die Familie kümmert sich Anna-Lisa Seifert. Jafar nennt sie Oma, denn sie hat schon einen Kinderwagen für das Baby besorgt: "Ich kümmere mich pseudo-Oma-mäßig um das zukünftige Kind. Ich kriege mit, dass er jede Woche mindestens ein- oder zweimal hier her kommt und uns fragt, wenn er Hilfe braucht; bei Besuchen beim LaGeSo, bei der Wohnungssuche. Die Fragen würden an uns sicherlich nicht kommen, wenn jemand anderes sich darum kümmern würde."

Flüchtlingsheime sind auf Ehrenamtliche angewiesen
Fast alle Berliner Flüchtlingsheime sind auf die Hilfe von Ehrenamtlichen angewiesen. Auch die Gierso arbeitete in den ersten Wochen mit der Moabiter Initiative zusammen. Doch Ende 2013 kam es zum Streit. Die Initiative beschwerte sich über Mängel im Heim: verdreckte Toiletten, kaputte Duschkabinen, zu wenige Waschmaschinen, fehlende Kinderbetreuung.
Marina Naprushkina machte damals Druck: "Als wir erst einmal die Gierso-Mitarbeiter vor Ort auf die Missstände angesprochen haben und dann auch die Geschäftsführung, passierte erst einmal gar nichts. Dann haben wir tatsächlich gesagt: Wenn nichts passiert, dann müssen wir mit der Information an die Öffentlichkeit treten."
Und das sorgte mächtig für Ärger - für beide Seiten. Die Gierso erteilte der Flüchtlingsinitiative Hausverbot und erntete dafür Negativ-Schlagzeilen in der Presse. Die ehemalige Schule in der Levetzowstraße wurde bekannt als eines der schlimmsten Flüchtlingsheime in Berlin.