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in 25 Jahren, so meint der KI-Forscher Jürgen Schmidhuber, wird es Künstlichze Intelligenzen geben, die das gleiche leisten können, wie ein menschliches Gehirn. Doch Angst, dass sie uns dann ausrotten wird, brauchen wir nicht zu haben, so Schmidhuber im Interview bei Alexander Schmidt-Hirschfelder: Die KI wird stattdessen einfach auswandern und den Weltraum besiedeln.
Schmidt-Hirschfelder: Sie sind einer der führenden Forscher in Sachen künstliche Intelligenz und arbeiten seit ihrer Jugend daran, eine künstliche Intelligenz zu bauen, die klüger und kreativer ist, als sie selbst. Wie weit sind sie denn?
Schmidhuber: Zumindest so weit, dass Milliarden von Menschen unsere Algorithmen gerne verwenden, obwohl sie es oft gar nicht wissen. Wenn sie zum Beispiel Spracherkennung machen auf ihrem Telefon, wenn sie da also nicht reintippen, sondern reinreden, bei Google Voice, dann verwenden sie da rekurrente neuronale Netzwerke, die gelernt haben aus Erfahrung, Sprache zu erkennen. Denen wurden viele Beispiele gezeigt und am Anfang waren sie ganz dumm und dann haben sie mit der Zeit ihre Verbindungen so eingestellt, dass sie plötzlich was konnten, was sie vorher nicht konnten, nämlich: Ihre Sprache besser zu erkennen, als andere Verfahren, die es da vorher gab. Und das sind so Verfahren, die haben wir seit den frühen Neunzigern in meinen Labors in München und in der Schweiz entwickelt.
Schmidt-Hirschfelder: Für wie wahrscheinlich halten sie es denn, dass sie noch eine künstliche Intelligenz erleben werden, die dann sogar menschliches Niveau erreicht?
Schmidhuber: Das ist meine wesentliche Triebkraft seit den Siebziger- und Achtzigerjahren und ich profitiere natürlich davon, dass alle fünf Jahre die Rechner zehnmal billiger werden, das heißt: In einer Periode von 30 Jahren gewinnen wir einen Faktor von einer Million. Und es sieht so aus, als könnte ich es noch erleben, dass wir wirklich KIs haben werden, die in jeder Hinsicht bessere Problemlöser sein werden als Menschen und das wird alles dann sehr interessant werden.
"Fundamentale Unterschiede zwischen KI und Mensch kann ich nicht erkennen"
Schmidt-Hirschfelder: Wichtiger Aspekt in der Entwicklung ist, dass künstliche Intelligenz so was wie Neugierde entwickelt, das haben sie eben auch schon angesprochen, also selbst neues lernen zu wollen und altes gewissermaßen zu überschreiben. Wo liegen dann eigentlich noch die Unterschiede zwischen selbstlernenden Maschinen und uns Menschen?
Schmidhuber: So richtig fundamentale Unterschiede kann ich schon lange nicht mehr erkennen. Wir haben halt immer noch Hirne, die den Rechnern überlegen sind, deswegen weil sie einfach mehr rechnen können pro Sekunde. Ein Hirn wie ihres, der Kortex, der hat vielleicht 10 Milliarden Neurone und jedes davon ist verbunden mit Zehntausend anderen, das heißt, sie haben da Hunderttausend Milliarden Verbindungen drin. Und jetzt vergleichen sie das mit einem großen neuronalen Netzwerk von uns, so einem LSTM-Netzwerk zum Beispiel. Ein großes dieser Sorte hat vielleicht eine Milliarde Verbindungen. Das heißt, sie haben also dann Hunderttausend mal mehr in ihrem Kortex. Aber wenn dieser Trend anhält, dieser Beschleunigungstrend, dann wird es noch 25 Jahre dauern und wir haben zum ersten Mal für denselben Preis ein Netzwerk, was so viele Verbindungen hat wie ein Menschenhirn. Und diese Verbindungen werden sehr viel schneller sein, als die im Hirn, denn das sind halt elektronischer Verbindungen und keine relativen langsamen, wie man sie im Hirn findet. Das heißt: Wir werden da mehr und mehr übermenschliche Performanz aus diesen Netzwerken bekommen bei ganz vielen verschiedenen Problemstellungen. Und insbesondere durch unsere formale Theorie der Neugier und der Kreativität werden sie sich auch ihre eigenen Ziele setzen und wie Wissenschaftler neugierig rausfinden, wie die Welt funktioniert und was man in ihr alles anstellen kann.
"Die KI wird auswandern und die Milchstraße besiedeln"
Schmidt-Hirschfelder: Das führt mich dann zu der Frage, welche Gefahren darin liegen, denn eine Maschine, die klüger ist als ich, die wird dann noch mich irgendwann vielleicht eines Tages abschalten?
Schmidhuber: Ja, wir sind ja auch klüger als die Ameisen und trotzdem rotten wir die Ameisen nicht systematisch aus. Es gibt immer noch viel mehr Ameisen als Menschen und das Gewicht aller Ameisen ist immer noch vergleichbar mit dem Gewicht aller Menschen.
Schmidt-Hirschfelder: Sie haben also kein flaues Gefühl oder gar moralische Bedenken dabei, dass ihre Forschung letztlich zur Abschaffung der menschlichen Gattung führen könnte?
Schmidhuber: Nicht zur Abschaffung, da habe ich überhaupt keine Befürchtung. Aber es wird natürlich schon so weit kommen, dass der Mensch nicht mehr die Krone der Schöpfung ist. Diese KIs, wenn sie mal viel cleverer sind als wir, die werden natürlich begreifen, was sie auch schon begriffen haben: Dass die meisten Ressourcen im Sonnensystem nicht in dieser dünnen Biosphäre um den dritten Planeten herum sich befinden, sondern draußen im Weltraum. Und im Moment ist es ja so, dass nur ein Milliardstel der Sonnenenergie die Erde trifft und der Rest verpulvert. Dem wird nicht so bleiben, die KIs werden auswandern und durch Milliarden von selbstreplizierenden Roboterfabriken im Asteroidengürtel und sonst wo da draußen eine KI-Zivilisation schaffen, die halt alles verblassen lassen wird, was wir so von der menschlichen Zivilisation kennen. Wo aber auch eben nicht mehr so viele Verbindungen existieren werden. Die werden sich ausbreiten in die Milchstraße hinein in einer Weise, bei der halt Menschen überhaupt nicht folgen können, schon aus physikalischen Gründen. Und die werden die ganze Milchstraße vollstopfen mit Sendern und Empfängern, so dass die KI reisen können, so wie sie sollen, nämlich per Lichtgeschwindigkeit, per Radio, per Funk von einem Sender zum Empfänger, so wie sie es ja auch hier auf der Erde in unseren Labors eh schon tun.