-
Sogenannte Altersanzüge sind bekannt - man zieht sie an und simuliert das Alter: Man sieht und hört nicht mehr so recht, der Rücken wird krumm. Kurzum: Man fühlt sich wie 80. Sicher ein spannendes Experiment, aber: Wäre es nicht viel cooler, man könnte sich als 80-Jähriger einen Anzug anziehen und sich wieder wie 30 fühlen? Gesteuert durch Sensoren, die altersbedingte Schwächen sofort messen und ihnen gegensteuern? Anna Corves hat sich auf die Suche nach dem "Jungmachanzug" gemacht.
Seite 1 von 3
Wer älter wird, muss tapfer sein: Gelenkversteifung, Kraftverlust, Alterszittern – alles kein Spaß. Bleibt uns das Dank Vernetzung vielleicht künftig erspart? Das will ich herausfinden.
Problemzone 1: Die Motorik
Mit 80 flüssig laufen, ohne Rollator? Das wäre doch toll. Die Frage, ob das geht, hat mich in die Pascalstraße in Charlottenburg geführt. Hier wurde nämlich schon ein Gehroboter entwickelt – und den guck ich mir an.
Schon stehe ich in der riesigen Entwicklungshalle des Fraunhofer-Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik. In dem lichtdurchfluteten Rundbau reihen sich rätselhafte Groß-Apparate aneinander. Kühlaggregate und Hydraulikpumpen rauschen.
Hier wird an den Maschinen der Zukunft geforscht, erklärt Ingenieur Henning Schmidt: "Das ist das große Versuchsfeld und da haben wir den Forschungsschwerpunkt dieser Mensch-Roboter-Interaktion."
"Wir können Stolpern oder Ausrutschen simulieren."
Schmidt bleibt vor einem Roboter stehen, den seine Forschungsabteilung entwickelt hat, für Reha-Zwecke. Mit dem so genannten "Haptic Walker" können gelähmte Menschen das Laufen wieder trainieren: "Man sieht zwei Fußplatten, auf die wird der Patient draufgestellt, zuvor noch mit einem Oberkörpergurt gesichert. Dann wird die Therapie begonnen, was der Patient machen soll, ob er Lauf auf der Ebene üben soll oder das Treppen steigen aufwärts, so ne ausgelatschte Mittelaltertreppe kann ich simulieren, wenn ich das möchte. Wir können Stolpern oder Ausrutschen richtig simulieren."
Sensoren in den Fußplatten messen dabei jede Menge Daten zum Gangbild, steuern die Fußplatten nonstop neu aus. Ein Wechselspiel zwischen Mensch und Maschine, das auf Computer-Algorithmen basiert: "Eine Menge von dem, was ein Mensch so an sensorischem Empfinden hat, versuchen wir, der Maschine auch beizubringen."
"Es geht nicht ums 'ob', sondern ums 'wie' und 'wann'!"
Hier wird daran gearbeitet, den Robotern menschlichen Gang beizubringen. In die Zukunft gedacht: Werden Roboter dann auch eines Tages alten Menschen beim Laufen im Alltag helfen können? "Das ist das, worauf wir hinarbeiten, und nicht nur wir hier", sagt Schmidt. Er ist optimistisch: "Es geht nicht darum, ob wir das erreichen, sondern um das 'wie' – und in welchen Zeiträumen."
Die so genannten Exoskelette gehen schon in diese Richtung. Das sind Robotergestelle, die man anziehen kann - mit Gelenken, die von Motoren angetrieben werden und so die Bewegung unterstützen. Das Kernproblem ist dabei die Interaktion von Gerät und Mensch: "Man muss da Sensoren verbauen, die die Interaktion messen – und das Ganze in Echtzeit – und die Motoren entsprechend ansteuern. Wenn ich ruckartig stehen bleibe, muss auch das Ding stehen bleiben. Es soll sich nicht das Roboterbein weiter bewegen, so dass ich noch hinfalle." Millisekunden entscheiden. In dieser Feinmotorik ist der Mensch noch unschlagbar.
Auf dem Weg zur "soft robotic"
Und davon mal abgesehen: Wer will mit 80 schon in einer Art Roboter-Ritterrüstung die Straße langlaufen? Ich hatte mir das laienhaft so vorgestellt, dass ich so eine Art Strumpf über die Beine überstreifen könnte, vernetzt mit lauter Sensoren, die, sobald mein Tritt unsicher oder wackelig wird, das irgendwo hin melden und mir dann dieser Strumpf hilft, zum Bus sprinten zu können zum Beispiel (falls wir dann noch Busse haben). "Das ist eine Vision der Robotik", erklärt Henning Schmidt. "Ein neues Forschungsfeld, nennt sich 'soft robotic', was genau in diese Richtung arbeitet, also: Ein System zu haben, was ich anziehen kann, Antriebe, die auch weich sind, sich anschmiegen, mich nicht behindern. Vom Prinzip her gibt es da Sensoren, die erfassen, wie meine Muskeln sich bewegen. Und dann wird versucht zu interpretieren: Was möchte der jetzt machen? Und entsprechend dann die Datenauswertung, die auf so einem kleinen Mikrocomputer läuft, den ich mit mir rumtrage, dann die Motoren ansteuern, sich entsprechend zu verhalten."
Allererste Prototypen gibt es schon. Wie lange wird's denn dann noch dauern, bis der Strumpf für den jugendlichen Gang mit 80 wahr wird? "Das was sie formuliert haben, ist die maximale Herausforderung für die Entwickler", meint Schmidt. "Ich würde sagen: 10, 20 Jahre, Minimum."
Scheint also gar nicht so abwegig zu sein, dass wir eines Tages den Rollator einfach in der Ecke stehen lassen können. Problemzone 1 Motorik kriegen wir also in den Griff.