Marcel Reif
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Interview - Kommentatorenlegende Reif: "'Nie Wieder' ist mehr als ein Appell"

Am Samstag ist der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Für den 1949 in Polen geborenen Sportjournalisten Marcel Reif ist es ein besonderer Tag, an dem sich Deutschland an die zweite Chance erinnern muss, die das Land nach der Nazi-Zeit bekommen hat und die genutzt werden muss.

Am 27. Januar 1945 wurde das Vernichtungslager Auschwitz von sowjetischen Truppen befreit. Am Samstag ist der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Auch für Kommentatorenlegende Marcel Reif ist es ein besonderer Tag. Reif wurde 1949 in Polen geboren. Sein Vater überlebte den Holocaust nur knapp. Viele Familienangehörige wurden von den Nazis getötet. Mit seinen Eltern emigrierte der Sportjournalist Mitte der 50er-Jahre erst von Polen nach Israel, später dann nach Deutschland.

Reif sieht in dem Gedenktag mehr als eine Mahnung. "Dieses 'Nie Wieder', das ja über allem steht, ist mehr als ein Appell. Das ist eine Zustandsbeschreibung. Und wenn es das nicht ist, dann müssen wir was tun." Angesichts des Erstarkens rechtsextremer Kräfte in Deutschland diene der Internationale Holocaustgedenktag als Aufruf für die schweigende Mehrheit, um einen Anker zu werfen gegen den Rechtsruck.

Proteste gegen Rechtsextremismus machen Hoffnung

 

Alles, was er aktuell höre, lese und auf der Straße sehe, sei für ihn Aufforderung genug, um etwas zu tun, sagt der langjährige Fußballkommentator. "Sonst verbauen wir uns, verbaut sich dieses Land, dieses Volk, die zweite Chance, die es bekommen hat."

Die Reaktionen in Deutschland auf das Massaker vom 7. Oktober in Israel und den Krieg in Gaza hätten ihn teilweise entsetzt, erklärt Reif. "Da habe ich Judenhass und Antisemitismus gehört und das auf deutschen Straßen." Erst die Proteste gegen die AfD und Rechtsextremismus, bei denen in den vergangenen Tagen und Wochen Hunderttausende auf die Straße gingen, haben ihn wieder zuversichtlicher gestimmt. "Das gibt mir die Hoffnung, dass dieses Volk doch etwas gelernt hat aus der Vergangenheit."

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