Kinder inspizieren die Trümmer von zerstörten Gebäuden nach israelischem Bombardement im Gaza-Streifen.
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Interview - Hebamme in Rafah: "Frauen sind traumatisiert und resigniert"

Während der Krieg im Gazastreifen tobt, versuchen Helfer das Leben aufrechtzuerhalten. Anja Bezold ist Hebamme und war für "Ärzte ohne Grenzen" in Rafah. Sie berichtet von besorgniserregenden Zuständen und 100 Geburten am Tag. Die Ärztinnen und Schwestern dort seien für sie Heldinnen.

Im Gaza-Streifen herrscht Krieg, die humanitäre Lage ist schwierig. Wie kann man in einer solchen Situation Kinder zur Welt bringen? Anja Bezold ist Hebamme und war im Auftrag von "Ärzte ohne Grenzen" mehrere Wochen in einem Krankenhaus in Rafah. Sie berichtet von chaotischen Zuständen:

"Die Menschen suchen überall Zuflucht"


"Die Situation dort ist sehr besorgniserregend und auch sehr angespannt. Man muss sehen, dass da so viele Menschen leben auf sehr engem Raum, inzwischen 1,5 Millionen Menschen in einer Stadt, die ist, glaube ich, so groß wie Charlottenburg-Wilmersdorf. Es platzt da wirklich überall aus den Nähten, die Menschen sind einfach überall, suchen überall Zuflucht."

Auch das Krankenhaus sei hoffnungslos überfüllt und überlastet, erzählt Bezold: "In diesem Krankenhaus haben in dieser Zeit, in der ich da war, 100 Geburten am Tag stattgefunden. […] Ich gebe immer gerne das Beispiel mit der größten Geburtsklinik in Berlin, die hat elf am Tag. Das sind hier ganz andere Dimensionen."

Ärztinnen und Schwestern dort "sind Heldinnen"


Die Frauen seien aus Platzmangel kurz nach der Geburt schnell wieder entlassen worden, teilweise zurück in Zelte und unter Planen, berichtet die Berliner Hebamme. Sie und ihre Kollegen konnten immerhin eine medizinische Versorgung gewährleisten.

Die Frauen, die Bezold dort getroffen habe, seien traumatisiert, verängstigt und resigniert. Viele stünden ganz allein da, weil die Männer vermisst oder verhaftet seien. Doch sie habe auch viele starke Frauen in Rafah getroffen: "Vor allem unsere Ärztinnen und Schwestern, die Tag und Nacht arbeiten, die da ihr Bestes geben, um diesem Chaos irgendwie gerecht zu werden und Leben retten. Die sind wirklich Heldinnen."